Rudolf Wolf, 1816 - 1893

(Kurzbiographie unter spezieller Berücksichtigung seiner Leistungen in der Landesvermessung)

Wolf Portrait
© Bildarchiv der ETH Zürich

Rudolf Wolf wurde am 7. Juli 1816 als Sohn des in der Stadt Zürich beheimateten Pfarrers Johannes Wolf in Fällanden bei Zürich geboren. Seinen ersten Unterricht erhielt er von seinem Vater, wobei sich bald seine Vorliebe fürs Rechnen zeigte.
Mit 10 Jahren beobachtete er eine Sonnenfinsternis im Spiegel einer Regenpfütze und muss durch dieses Ereignis sehr beeindruckt gewesen sein.

Im Jahre 1827 starb sein Vater, und die Mutter entschloss sich mit der Familie in die Vaterstadt Zürich umzuziehen. Hier besuchte er die „Kunstschule“ und anschliessend das „technische Institut“, ein Vorläufer der Oberrealschule. Seine Lehrer – Schanzenherr Johannes Feer, Johann Caspar Horner und Karl Heinrich Gräffe – erkannten und förderten seine mathematischen Begabungen. Insbesondere Horner wurde sein väterlicher Freund und Leiter seiner Studien.
Aus dieser Schulzeit stammt auch seine unzertrennliche Freundschaft mit Johannes Wild, dem späteren Professor für Topographie am Polytechnikum, die sein Leben lang dauerte.

Im Jahre 1833 wurde die Universität Zürich gegründet und im gleichen Jahr begann Wolf sein Studium zusammen mit seinem Freund Wild. Neben Mathematik und Physik besuchten sie insbesondere die Astronomievorlesungen von Eschmann.

Eschmann und Horner waren es denn auch, die im Rahmen der von Eschmann 1834 in Zürich gegründeten Topographischen Gesellschaft die beiden Studenten zu begeistern wussten. So vor allem in den praktischen Arbeiten zu der von General Dufour in der zweiten Kommissionssitzung 1833 beschlossenen Neumessung der beiden Basen in Zürich und Aarberg mit dem von Horner entwickelten Basisapparat mit den entsprechenden Anschlussmessungen an das neue Triangulationsnetz.

Von 1836-38 vervollständigte Wolf seine Studien in Wien bei dem bekannten Astronomen J.J von Littrow und machte in einer anschliessenden Studienreise über Berlin, Göttingen, Bonn und Paris Bekanntschaft mit Dirichlet, Steiner, Gauss, Argelander und Arago.

Nach seiner Rückkehr wurde er im Herbst 1839 an der Realschule der Stadt Bern als Lehrer der Mathematik angestellt. Hier beginnt auch seine ausserordentlich fruchtbare Arbeit im Rahmen der Naturforschenden Gesellschaft, der er ebenfalls 1839 beitrat.
Trotz seinen Bemühungen wurde es ihm versagt, einen Lehrauftrag für Mathematik an der Universität zu erhalten. Seine Leistungen und sein unermüdlicher Einsatz blieben jedoch nicht ohne Anerkennung, sodass er 1847 zum Vorsteher der Sternwarte ernannt wurde. Auch hier entwickelte er eine ausserordentlich fruchtbare Tätigkeit. Vor allem seine grundlegenden Beobachtungen und Arbeiten über die Sonnenflecken bewogen die Universitätsleitung, ihm als Anerkennung den Titel eines Ehrendoktors zu verleihen und 1852 erhielt er eine ausserordentliche Professur für Mathematik

Im Jahre 1855 wurde Wolf als Professor für Astronomie an das neu gegründete Polytechnikum in Zürich berufen. Auch hier entfaltete er eine unermüdliche Tätigkeit. Einerseits beim Aufbau der Eidgenössischen Sternwarte, im Aufbau einer Meteorologischen Anstalt und immer wieder auch in der Landesvermessung.

Als 1861 die Eidgenossenschaft vom preussischen General Baeyer aufgefordert wurde, bei der geplanten europäischen Gradmessung mitzuwirken, wurde Wolf vom Bundesrat als erster Präsident der neu gegründeten „Geodätischen Kommission" eingesetzt.
Im Jahre 1879 präsentierte er der Kommission seine umfassende „Geschichte der Vermessungen in der Schweiz als historische Einleitung zu den Arbeiten der schweizerischen geodätischen Kommission“.

Neben Astronomie und Vermessung beschäftigte sich Wolf auch intensiv mit der Meteorologie. Er gehörte 1861 zu den Gründungsmitgliedern der "Meteorologischen Kommission" und war als erster Präsident der Meteorologischen Zentralanstalt massgebend an deren Aufbau beteiligt.

Wolfs schriftstellerische Begabung ist unübersehbar. Nicht nur in seinen angestammten Fächern – Astronomie und Mathematik – leistete er hervorragendes, auch als Historiker verfasste er eine interessante Reihe von Biographien berühmter Schweizer Persönlichkeiten. Zudem begründete er die „Vierteljahresschrift der Naturforschenden Gesellschaft in Zürich“ und redigierte sie während 38 Jahren. Nicht von ungefähr wurde ihm auch gleich beim Eintritt ins Polytechnikum die Leitung der Bibliothek übertragen

Rudolf Wolf blieb Junggeselle. Seine Familie bestand aus seiner Mutter und aus seiner älteren Schwester, Elisabeth, die ihm getreulich den Haushalt in der Dienstwohnung an der Eidgenössischen Sternwarte führte. Gern gesehener Gast war sein bester Freund Johannes Wild, auch er ein Junggeselle und während Jahrzehnten mittags wie abends täglicher Tischgenosse in der Wohnung an der Sternwarte.

Wolfs Schaffenskraft war legendär. „Ohne Rast – aber ohne Hast“ und „Jeden Tag ein Stückchen“ sind Äusserungen die ihn charakterisieren. Trotz seinen vielen Erfolgen blieb er bescheiden. Bezeichnend ist sein Ausspruch:
„Ich habe mich immer damit getröstet, dass auch derjenige, der wie ich, kein Genie besitzt, doch viel nützliches leisten kann, wenn er seine Arbeit richtig und seinen Fähigkeiten angemessen wählt“.

Rudolf Wolf starb im 78. Altersjahr am 6. Dezember 1993 in seiner Sternwarte in Zürich.



Quellen:
- Nekrolog auf Prof.Dr.Joh. Rudolf Wolf,
gehalten in der Sitzung der Naturforschenden Gesellschaft vom 29. Januar 1894 von Prof. A. Weilenmann.
Separatdruck aus der Vierteljahresschrift der naturforsch. Gesellschaft in Zürich
XXXIX. Jahrgang 1894

- Professor Dr. Rudolf Wolf, 1816 – 1893
Der Bernischen Naturforschenden Gesellschaft zum Andenken beim 50-jährigen Jubiläum ihrer „Mitteilungen“ gewidmet von Professor Dr. J.H. Graf.
Bern, Druck und Verlag von K.J. Wyss, 1894

- Biographische Angaben zu Rudolf Wolf in der virtuellen Ausstellung „Sonnenfinsternis“ der ETH Bibliothek.
www.ethbib.ethz.ch/exhibit/sonne/biogrWolf00.html