Kapitel III. Die ersten Aufnahmen

 

28. Einige andere Kartographen des 17. Jahrh.

Von den zahlreichen Karten, welche im 17. Jahrhundert, ausser den bereits besprochenen, producirt wurden, zähle ich, ohne irgend welchen Anspruch auf Vollständigkeit zu machen, noch folgende auf:

Die von dem Genfer Jacques Goulart (1) im Jahre 1607 ausgegebene Karte „Lacus Lemanni locorumque circumjacen-tium accuratissima descriptio" war, wenn sie auch nicht grosse Genauigkeit besitzt, für ihre Zeit ganz bemerkenswert, und wurde vielfach nachgestochen, so z. B. das mir vorliegende Exemplar von 52 auf 41 cm. durch Wilh. Blaeu (2) . In welchem Verhältnisse zu ihr eine ähnliche Karte „Lacus Lemani vicinorumq. locorum nova et accurata Descriptio. — Ornatiss. doctissimoq. viro D. Jacobo Colio Orteliano, hanc Lacus Lemani Tabulam Joan. Bapt. Urintius L. M. dedicabat MDCVII Kai. Septembris. — Joannes Le Giere excudit 1619. — H. Picart sculp." steht, welche auf einem Blatte von 50 auf 36 cm. eine ganz entsprechende Anlage zeigt (3), ist mir nicht recht klar geworden.

Nach Haller hinterliess der 1710 verstorbene Oberst Abraham de Crousaz (4) einen „Grundriss von allen Pässen des Bern-Gebietes" und eine „Karte von dem Amt Lausanne". Wann und wie er dieselben erstellte, wüsste ich nicht beizufügen.

Eine von dem Zürcher Joh. Heinrich Schweizer (5) gezeichnete „Nova Helvetiae Descriptio cum finitimis Italiae, Galliae et Germaniae Partibus ad intelligendas historias Helvetios accomodata" bezeichnet Haller als „einen sehr saubern Handriss", der schon 1625 fertig gewesen sein müsse, da ihn damals Josias Waser gekauft habe. Letzteres mag richtig sein; dagegen kam mir dieser Handriss, den ich in der Ziegler'schen Sammlung auffand, ziemlich schlecht gezeichnet und überhaupt unbedeutend vor: Es ist ein Blatt von 36 auf 39 cm., das zu beiden Seiten Ansichten von Städten und Abbildungen von Trachten gibt, aber in Beziehung auf Distanzen und Gradnetz sehr mangelhaft ist (6).

Die schon von Haller als „aus der Schöpfischen gezogen" bezeichnete „Nova et compendiosa inclytae Urbis et Agri Bernensis Descriptio geometrica", welche „Joseph Plep Bernensis A. 1638" der Berner-Regierung widmete, — eine Karte von 59 auf 41 cm., welche in der Ecke rechts unten eine Ansicht von Bern enthält, — ist in der That nichts anderes als eine Reduction der Schöpfischen Karte (7), welche aber für ihre Zeit sehr verdienstlich war, da die Grundkarte kaum mehr erhältlich, und auch für das grössere Publikum theils zu theuer, theils zu umfangreich war. Ihr Herausgeber Joseph Plepp (Plep, Blepp, Bläpp) war von Basel gebürtig (8) und muthmasslich ein Sohn des 1595 zu Bern als Burger angenommenen Glasmalers Jakob Plepp (9). Er war erst Schüler, dann Nachfolger des ebenfalls nach Bern übergesiedelten vortrefflichen Malers und Werkmeisters Daniel Heinz aus Tyrol, und hatte als Baumeister, Porträt- und Früchte-Maler grosse Geltung, so dass er viele Schüler, wie z.B. Conrad Meyer von Zürich (10), Joseph Werner von Basel und Matthäus Merian den Jüngern von Frankfurt, nach Bern zog, und sein früher Tod im Jahre 1641 allgemeines Bedauern erregte (11).

Wahrscheinlich lag auch der Karte „Inclytae Urbis et Ditionis Bernensis cum locis finitimis Tabula geographica et hydrographica noviter correcta. Autore Alberto Zollinger, Helv. Bernate V. D. M. in Campulo 1684. — F. L. Boizot sculps.", welche zur Zeit, wohl hauptsächlich um ihrer bequemen Grösse willen, sehr beliebt war (12), zunächst die Schöpfische zu Grunde, der sie übrigens in Genauigkeit der Anlage nicht einmal ganz beikam (13), während dagegen Detail und Ausführung" allerdings einige Fortschritte zeigten, und ein nicht übler Plan von Bern eine angenehme Beigabe war. Der Herausgeber, Albrecht Zollinger, ein Sohn des „aus der Herrschaft Grüningen, Zürchergebiets" stammenden, 1629 in Bern zum Burger angenommenen „Reuters" Hans Zollinger, wurde 1630 geboren, kam 1669 als „Predicant" nach Gampelen, und scheint, nach Haller eben mit Entwurf einer grösseren Karte beschäftigt (14), gegen Ende des 17. Jahrh. daselbst gestorben zu sein (15).

Eine, wie es scheint, Haller unbekannt gebliebene, und überhaupt sehr seltene Schweizerkarte, deren eigentlicher Titel leider auf dem Exemplare der Ziegler'sehen Sammlung ausgeschnitten ist, während man unten rechts „Luceriae Helvetiae Formis Davidis Hauttii Anno 1641" liest, bildet ein Blatt von 33 auf 27 cm., das für jene Zeit gar nicht übel gestochen und ziemlich lesbar ist; in Beziehung auf die Anlage (16) hat sie ausserordentliche Aehnlichkeit mit der Gyger'sehen Karte von 1637, so dass diese wahrscheinlich sehr stark benutzt wurde. Ueber David Hautt konnte nur aufgefunden werden (17), dass er ein Ausländer war, sich mit Margaritha Büttler verehelichte, und 1636 Beisäss der Stadt Luzern wurde.

In der von Mathäus Merian (18) im Jahre 1642 herausgegebenen „Topographia Helvetise, Rhsetise et Vallesise" finden sich, abgesehen von der so eben wieder erwähnten, 1637 durch Konrad Gyger verfertigten Schweizerkarte, keine Karten, sondern nur einzelne Städtepläne und dann viele Ansichten; dagegen findet sich in einem 1653 von Zeiller dazu gegebenen Anhange noch eine Karte des Vierwaldstättersees, welche jedoch nur eine Copie von der sofort zu besprechenden zu sein scheint.

Der 1663 zu Luzern verstorbene Gerichtsschreiber und Rathsherr Leopold Cysat (19) liess nämlich 1645 durch Clemens Beutler (20) eine von ihm selbst entworfene „Wahre abbildung der 4 Waldstätten See" stechen, welche er den vier Orten Lucern, Uri, Schwytz und Unterwalden widmete und einer Beschreibung des berühmten Lucerner oder 4 Waldstätten Sees" beizulegen gedachte, — ein Blatt von 51 auf 31 cm., auf welchem der See viel richtiger als auf den ältern Schweizerkarten dargestellt ist, wenn es auch namentlich in Beziehung auf den Urner-See noch manches zu wünschen übrig lässt (21), und das auch eine für damalige Zeit recht gelungene Terrainzeichnung zeigt. Diese Karte, auf welche sich Cysat, obschon er sie nicht durch eine eigentliche Messung, sondern durch Combination zweier auf dem Rigi und auf dem Bauen aufgenommenen Zeichnungen erhalten hatte, viel zu gute that, wurde ihm nun in der Zwischenzeit zwischen ihrem Stiche im Jahre 1645 und der Ausgabe des Buches im Jahre 1661 auf unerlaubte Weise nachgestochen, und erschien so, wie bereits erwähnt, unter Anderm zu Cysat's grossem Aerger in dem Anhange zu Merian.

Sehr selten scheint eine im Jahre 1681 erschienene, 28 auf 36 cm. haltende Karte des Liviner-Thales zu sein (22) , welche den Titel „Descrittione geografica del Contado Leopontico nel modo che si trova di presente con l'es-pressione delle sue anticaglie contestate da piu celebri historici" führt, während man unter derselben „Cesare Laurentio fece", und ausserhalb des eigentlichen Rahmens der Karte eine Widmung derselben von „Gio. Righolo Leopontico" an den Cardinal „Federico Visconti" liest. Ueber die Laurentio und Righolo habe ich keine Nachrichten finden können; dagegen kann ich mittheilen, dass die Anlage der Karte relativ nicht schlecht ist (23) , und die spätern Karten der Schinz und Ghiringhelli (24) manche Anklänge an dieselbe enthalten, — ein Bild des Landes muss man aber nicht in derselben suchen wollen, und namentlich sind die Berge einfach wie Schildwachen rings um aufgestellt.

Die von Haller als „sehr schlecht und klein" bezeichnete „Helvetiae, Rhaetiae et Vallesiae nova Tabula geographica. Aut. Joh. Caspar Steiner, Tigurinus. 1685" ist in der That von keiner Bedeutung (25). Joh. Caspar Steiner, 1649 dem Pfarrer Joh. Caspar Steiner zu Dynhard geboren, scheint ein etwas leichter Vogel gewesen zu sein, trat etwa 1680 zu Zug zur katholischen Kirche über, 1687 wieder zur reformirten Kirche, und scheint nachher verschollen zu sein. Ausser der Karte hat man von ihm eine „Kurtz deutliche Grundzeichnung des Alt-Teutschen Spartier-Lands, d. i. Schweizerland", die 1680 zu Rottweil gedruckt wurde (26).

Entschiedenes Interesse hat dagegen die Karte, welche 1698 unter dem etwas phantastischen Titel „Helvetia, Rhaetia, Vallesia. Das Schweizerland, ein von Gott gesegneter Freiheit und Frieden Sitz und der Mit Verpündten Vatterland. Labore et studio Henrici Ludovici Muoss et p. t. Praefecti Xenod. Civitatis Tugiensis" auf einem Blatt erschien, das, abgesehen von einem breiten Rande mit Städteansichten, etc., 74 auf 50 cm. misst (27). Die Anlage dieser Karte, für welche Muoss vom Stande Zürich gegen Zusendung von 260 Exemplaren ein Geschenk von 60 Reichsthalern erhielt, kömmt so nahe mit derjenigen der Gyger'schen Karte von 1657 überein, dass man mit voller Sicherheit annehmen kann, er habe dieselbe zu Grunde gelegt (28) , — zeigt aber auch einzelne Differenzen, welche, da gerade die grössern sämmtlich Verbesserungen gegenüber Gyger sind, zeigen, dass die Karte von Muoss nicht, wie schon behauptet worden ist, als eine einfache Copie betrachtet werden darf, sondern dass für sie eine verständige Revision vorgenommen wurde (29). In Beziehung auf den Detail dürfte Aehnliches zu sagen sein; ich will jedoch nur beifügen, dass die Darstellung des Terrains ganz ähnlich wie bei Gyger, dagegen der Stich wesentlich besser ist, und noch kurz über den Verfasser eintreten: Zu Zug 1657 geboren, trat Heinrich Ludwig Muoss oder Muos schon 1673 bei dem Buchdrucker Jakob Ammon aus Nürnberg, der kurz zuvor die erste Buchdruckerei in Zug gegründet hatte, in die Lehre, und etablirte sich dann später selbst in seiner Vaterstadt als Buchdrucker. Ausserdem war er successive Mitglied, Secretär und Schultheiss des sog. „unüberwindlichen" grossen Rathes, von 1694—98 Spitalarzt, später Stadthauptmann, und brachte 1712, oder nach dem sog. „Zwölferkrieg", mit acht andern Zugern drei Wochen in Zürich als Geisel zu. Schon im Jahre 1697 kaufte er den schön gelegenen Landsitz auf der Löbern bei Zug in der Absicht später auf demselben eine grössere Druckerei anzulegen, wurde dann jedoch zuerst durch Geschäfte, später durch Geisteskrankheit daran verhindert, und starb 1721 ohne seinen Plan ausgeführt zu haben (30).

Die Ziegler'sche Sammlung enthält einen 77 ½ auf 59 cm. haltenden Handriss mit dem Titel „Eigentliche Verzeichnuss der Landtschafft Zürich mit Abtheilung ihrer Quartieren und Lärmenplätzen, Hochwachten und Feurzeichen, sambt den angräntzenden Landen", der nach der Schrift aus dem Ende des 17. Jahrh. stammen dürfte. Die Zeichnung ist mittelmässig, dagegen die Anlage, für welche muthmasslich die Gyger'sche Karte benutzt wurde, nicht übel (31); die Stellen der Feuerzeichen, etc., unter denen auch das Hörnli vorkömmt, sind ähnlich wie bei der betreffenden Müller'schen Karte verbunden (32).

Ein ähnlicher und nach der Schrift ungefähr derselben Zeit angehörender Handriss von 59 auf 43 cm. in der Sammlung der math. milit. Gesellschaft, der keine Aufschrift, dagegen wieder die Feuerzeichen, jedoch ohne Verbindungslinien, enthält, scheint ebenfalls eine Reduction der Gyger'schen Karte zu sein (33).

Zum Schlusse mag noch zweier Curiosa gedacht werden: Im Jahre 1698 hatte Pfarrer Joh. Heinrich Streulin in Dussnang (34) den komischen Einfall unter dem Titel „Zürichgebiet" und unter Beigabe von wunderschönen Versen eine von J. G. Seiller gestochene, natürlich absolut keine weitere Bedeutung besitzende Kantonskarte in Form eines Löwenkopfes herauszugeben, — ob in Nachahmung der ungefähr gleichzeitig von einem Jakob Störklein (35) in Basel gestochenen „Nova Ditionis Bernensis Tabula geographica Ursi effigie delineata", oder aus eigenem Ingenium, mag dahin gestellt bleiben, — es war dem 17. Jahrh., in welchem auch der „Coelum heraldicum" und ähnlicher Unsinn ausgebrütet wurde, ganz angemessen; aber dass noch 1766 der Buchbinder Johannes Hofmeister in Zürich (36) hoffen konnte mit einer neuen Ausgabe dieses Löwenkopfes ein gutes Geschäft zu machen, war denn doch etwas stark.