Kapitel V. Spätere Detailarbeiten

 

55. Placidus a Spescha.

Zu Trons, wohin s. Familie aus dem benachbarten Andest gezogen war, im Jahre 1752 geboren, hütete Placidus a Spescha als Knabe die Heerde s. Vaters, hatte aber schon damals grosse Neigung hohe Berge zu besteigen, Krystalle zu suchen, etc., und wurde schliesslich durch s. Wissbegierde veranlasst den geistlichen Stand zu ergreifen, und, nach kurzer Vorbildung im Seminar zu Chur, in das Kloster Dissentis zu treten (1). Im Jahre 1776 wurde er zur Vollendung s. Studien nach Einsiedeln geschickt, und gewann dann nach, s. Rückkehr im Jahre 1782 durch s. überlegenen Kenntnisse grossen Einfluss, zog sich aber auch Neid, und durch s. Naturstudien und Bergreisen den Ruf eines Freigeistes zu.

Er liess sich jedoch nicht beirren, sondern studirte die Werke von Haller, Saussure, Deluc, etc., und widmete s. freie Zeit (2) „mit rüstigem Eifer der Topographie, Mineralogie und Botanik seiner Umgebung. Mit Hülfe einer Boussole und von ihm selbst fabricirter Instrumente suchte er eine Karte des damals noch sehr unvollkommen bekannten Bündner-Oberlandes darzustellen und dieselbe geologisch zu bezeichnen, die Höhe der umliegenden Gipfel zu bestimmen, und, in fleissig ausgearbeiteten Tagebüchern seiner vielen und kühnen Gebirgswanderungen, eine genaue Beschreibung dieser Gegend zu liefern" (3). Seine Sammlungen von Naturalien, welche er selbst auf 10000 Gulden schätzte, gingen 1799 beim Einfalle der Franzosen mit s. Schriften und Karten über die bereisten Thäler grösstentheils verloren (4); was nicht geraubt worden war, ging im Feuer zu Grunde.

Als sodann die Oesterreicher wieder Meister wurden, sah sich P.Placidus
„als Franzosenfreund, wofür damals alle aufgeklärten Männer galten" nach Innsbruck deportirt, und durfte erst nach 18 langen Monaten in s. Kloster und zu s. frühern Thätigkeit zurückkehren, um dann sofort wieder von s. Brüdern und Obern geplagt zu werden. Erst als Spescha 1821 als Kaplan nach Trons versetzt wurde, konnte er sich ganz ungestört s. Arbeiten hingeben, bis dann 1833, wie er sich selbst ausgedrückt haben soll, „die Baracke" zusammenfiel. —

Die einzige Karte von Spescha, welche meines Wissens publicirt worden ist (5), ist die von M. F. Böhm lithographirte und von J. J. Waibel herausgegebene „Carte specielle et petrographique du Mont St Gotthardt et de ses environs par le père Placidus a Spescha, Capitulaire de Dissentis", — ein Blatt von 39 auf 25 cm. Dieselbe ist mehr als Skizze behandelt, und macht somit wenig Ansprüche auf Darstellung des Terrains; dagegen ist die Anlage, welche wahrscheinlich schon aus den letztern 80er Jahren des vorigen Jahrhunderts datirt (6), d.h. aus einer Zeit wo das Bündner-Oberland noch fast eine terra incognita war, in Anbetracht der schwierigen Terrainverhältnisse recht brav (7), und man hat jedenfalls zu schliessen, dass Spescha wenigstens einzelne Messungen zu ihren Gunsten machte. —

Ausser dieser Karte erhielt ich noch eine 1819 von Heinrich Keller gemachte Copie einer Zeichnung zur Einsicht, welche Pl. a Spescha vom Vorder-Rheinthal und dessen Seitenthälern entwarf, — ein Blatt von 44 auf 28 cm., das einen grossen Reichthum an Orts- und Bergbezeichnungen enthält, aber in Beziehung auf die Anlage bedeutend mangelhafter als die lithographirte Karte ist (8).