Kapitel VI. Die Sternwarten in Zürich und Genf.

 

60. Johnnes Gessner und die
       naturforschende Gesellschaft in Zürich

Im Jahre 1709 zu Wangen bei Zürich, wo s. Vater Christoph Gessner als Pfarrer wirkte, geboren, zeigte Johannes Gessner schon als Knabe grosses Interesse für naturwissenschaftliche und medicinische Studien, und folgte sodann in den obern Schulen s. Vaterstadt den Vorträgen der Muralt und Scheuchzer mit ungewöhnlichem Eifer. Schon im Jahre 1726 ging er mit guter Vorbereitung nach Leyden, wo er sich Boerhaave's Zuneigung und die Freundschaft von Albrecht Haller erwarb, — dann über Paris nach Basel, wo er mit Haller sich durch Johannes Bernoulli in die höhere Mathematik einführen liess, ohne darüber s. medicinischen Studien zu vernachlässigen, und wo Benedict Stähelin als Dritter in den Freundschaftsbund eintrat.

Zu Anfang 1730 kehrte Gessner nach Zürich zurück, wo er zwar als praktischer Arzt nicht besonderen Erfolg hatte, dagegen nach dem Tode von Joh. Jakob Scheuchzer 1733 die Professur der Mathematik, und 1738 nach dem Tode von Johannes Scheuchzer auch noch die Professur der Physik sammt dem damit verbundenen Canonicat erhielt, — eine Doppelstellung, welche er factisch bis 1778 mit grossem Erfolge, und nominell sogar bis zu seinem 1790 erfolgten Tode bekleidete (1). —

Es würde viel zu weit führen Gessner in s. ganzen wissenschaftlichen Thätigkeit zu begleiten, und wir müssen uns hier darauf beschränken eine Einzelne, aber allerdings nicht die Geringste s. vielfachen Leistungen, hervorzuheben, — nämlich s. Stiftung der sog. „Physicalischen Gesellschaft" in Zürich.

Wohl war schon ziemlich lange vor Gessner der Gedanke aufgetaucht die vielen wissenschaftlichen Kräfte Zürich's in einer Gesellschaft zu sammeln, und so einen Heerd zu gründen, an welchem der Einzelne Rath und Unterstützung für s. Arbeiten finden, und von welchem aus das geistige Leben sich über immer weitere Kreise verbreiten könne:

So war 1679 durch den Naturforscher Joh. Jakob Wagner, den Historiker Joh. Heinrich Rahn, den Kaufmann Salomon Ott, und Andere, eine, bald nach ihrem Vereinigungsort auf der Wasserkirche „Collegium Insulanum", bald nach ihrer Bedeutung „Collegium Philomusorum" benannte Gesellschaft gegründet worden, und, nach ihrem baldigen Erlöschen, an ihre Stelle 1686 das „Collegium der Vertrauten" oder die „Gesellschaft der Wohlgesinnten" getreten, wo der Arzt Johannes von Muralt, der Antiquar Joh. Baptist Ott, der Theologe Zimmermann, und Andere thätig waren, und Joh. Jakob Scheuchzer von 1694 bis 1709 als Sekretär fungirte;
aber diese Gesellschaften waren nicht lebensfähig, da sie aus gar zu verschiedenen Elementen bestanden, und sich wohl mit einzelnen ganz zweckmässigen historischen oder naturwissenschaftlichen Themata's, aber auch vielfach mit unfruchtbaren Subtilitäten, wie z. B. mit der Frage „Ob Christus an der Hochzeit zu Cana dass wasser in weissen oder rothen wein verwandelt habe", und ähnlichem Unsinn befassten.

Johannes Gessner hatte dagegen den richtigen Takt nicht nur das Arbeitsfeld in verständiger Weise zu beschränken, sondern auch dadurch einen möglichst homogenen Kern für eine Gesellschaft zu bilden, dass er einem Kreise von Freunden der Naturwissenschaften von October 1745 bis Ende 1746 einen förmlichen Kurs der Experimentalphysik gab, und dann erst die Constitution der Gesellschaft vornahmen liess, bei welcher er begreiflich als ständiger Präsident aus der Urne hervorging.

Er wusste sodann s. Schöpfung fortwährend im regsten Leben zu erhalten, sowohl ertödtende lange Specialvorträge als flaches Geschwätz zu vermeiden, und in jeder Sitzung die für eine Vereinigung solcher Art absolut nothwendige Abwechslung der behandelten Materien zu erreichen.

Dabei machte er nicht nur selbst häufig Mittheilungen über die Resultate s. Studien, sondern er hatte auch fast in jeder Sitzung neue Werke und Naturalien vorzulegen, oder interessante Stellen aus eingelaufenen Briefen s. zahlreichen Correspondenten vorzulesen, und wenn andere Mitglieder oder eingeführte Gäste (2) etwas zum Besten gaben, so fügte er meistens noch Reflexionen bei, die dem Vorgetragenen doppelte Würze gaben.

Ferner wurden auf s. Anregung hin Bibliothek und Naturaliensammlung angelegt, ein mathematisch-physicalisches Cabinet gegründet, ein botanischer Garten eröffnet, etc., und auch durch Publication mehrerer Bände von Abhandlungen nach Aussen Zeugniss von der Thätigkeit abgelegt. —

Die 1751 in Basel gegründete „Societas helvetica" (3), — die 1765 in Zürich entstandene mathematisch-militärische Gesellschaft (4), der bald ähnliche Vereinigungen in Basel, Bern, Luzern, etc. folgten, — die 1769, allerdings aber ohne nachhaltigen Erfolg, versuchte Gründung einer schweizerischen kosmographischen Gesellschaft (5), — die 1778 durch
Dr. Amstein für Bündten in's Leben gerufene Gesellschaft, welche durch Herausgeben des „Sammler" so wohlthätig wirkte, — etc. etc. (6), zeigen uns, wie belebend der Gessner gelungene Versuch auf weitere Kreise wirkte.