Kapitel VI. Die Sternwarten in Zürich und Genf.

 

63. Die erste Sternwarte in Genf.

Schon in der ersten Hälfte des 18. Jahrh. versuchten sich verschiedene Genfer, voraus Calandrini (1), in astronomischen Beobachtungen, jedoch ohne dass sie dafür vom Staatsrathe die dafür nöthigen Einrichtungen erhalten konnten, — das Einzige was in dieser Richtung für den öffentlichen Nutzen geschah, war dass 1760 an der Südfaçade der Peterskirche „une méridienne pour l'usage des horlogers" gezogen wurde (2). Noch am 26. April 1771 schrieb Mallet, der nach Rückkehr von der Venusexpedition zum Extraordinarius an der Academie ernannt worden war, an Daniel Bernoulli: „Je me trouve avec d'excellens instrumens sans observatoire. J'en suis toujours à en solliciter un, — les choses se font bien lentement dans la République, — il faut avoir beaucoup de patience. Mais j'espère a la fin de réussir. On vient de créer un Professorat d'Astronomie, — il faut bien avoir un Observatoire."

Und in der That erhielt Mallet nicht nur ein Jahr später die Bewilligung auf der „Bastion de Saint Antoine" ein Observatorium zu bauen, sondern sogar die ansehnliche Beisteuer von 4200 fl. an den von ihm projectirten Bau, der ziemlich rasch vollendet und mit den vorhandenen Instrumenten ausgerüstet wurde. Als Johannes III Bernoulli im Jahre 1774 s. Freund besuchte, fand er das junge Institut bereits in voller Thätigkeit, und schrieb darüber bald nachher in s. Lettres sur différents sujets: „Le nouvel observatoire est placé sur un des bastions de la ville du côté du midi, et découvre l'horizon presque de tous les côtés. II consiste en un octogone; chaque côté a 9 pieds, et on y a joints des espèces de cabinets ou de saillies. Les instrumens de Mr. Mallet consistent en ce qui suit:

1) Un quart de cercle anglais de 2½ pieds de rayon fait par Jean Sisson;
2) Une lunette méridienne de 4 pieds de Sisson;
3) Un vieux quart de cercle de 3 pieds de rayon par Butterfield (3);
4) Une lunette de nuit de 3 pieds;
5) Une lunette achromatique de 10 pieds de Dollond;
6) Un grand micromètre filaire;
7) Une pendule de Lepaute.

Mr. Mallet jouit au reste encore d'un avantage préférable aux plus beaux Instruments, celui d'avoir deux aides egalement habiles et zèlés, Mss Jean Trembley et Marc Pictet (4), qui lui sont extrêmement attachés et concourent avec lui de tout leur pouvoir a rendre leur patrie chère à l'Astronomie."

Auf dieser Sternwarte und zum Theil auch in Mallet's mit ihr trigonometrisch verbundenem Landhause in Avully wurden, neben vielen andern Arbeiten, auch Sternbedeckungen, Finsternisse, Sternhöhen etc. beobachtet, und daraus für die Genfer-Stern warte als Pariserlänge und Polhöhe

Vorwärtseinschnitt-Messprinzip

abgeleitet (5). —

Nach Mallet's Tode trat Marc-Auguste Pictet für ihn in die Lücke, stellte die Instrumente, welche aus Avully zurückgebracht wurden, wieder in der Sternwarte zu Genf auf, und vermehrte sie um ein Fernrohr von 21/8" Oeffnung und 30" Brennweite, welches er 1787 auf s. Reise nach England bei Ramsden gekauft hatte, und sodann 1791 „des mains du célèbre artiste Paul" parallaktisch montiren liess (6).

Als ihm später s. übrigen Pflichten nicht mehr die nöthige Musse liessen um selbst regelmässige Beobachtungen anzustellen, sorgte er wenigstens dafür dass Freunde oder Schüler solche ausführten, und so fand z. B. Lalande, als er 1796 mit s. Nichte Mme Le François nach Genf kam, zwei ganz tüchtige junge Leute, Frederic Maurice (7) und Pierre Pictet (8), auf derselben beschäftigt, an welche sich sodann, um nur von den Tüchtigsten zu sprechen, etwa drei Lustren später Alfred Gautier (9) mit solchem Erfolge anreihte, dass ihm Pictet 1819 mit dem vollsten Zutrauen die alte Warte übergeben konnte. —

Es kann sich natürlich nicht darum handeln die sämmtlichen Arbeiten dieses fleissigen und geschickten Beobachters hier aufzuzählen, und ich muss mich darauf beschränken anzuführen, dass es Gautier alsbald gelang einen schönen, 20 zölligen Repetitionskreis von Gambey, und den Bau der zu s. Aufstellung nöthigen Kuppel zu erhalten, und dass er damit, nach vorgehendem genauem Studium des Instrumentes und ganz besonders der Durchbiegung, aus 3338 Einstellungen auf Sonne und Sterne, welche er im Laufe der Jahre 1824—28 machte, als Polhöhe s. Sternwarte den von der frühern Bestimmung wenig verschiedenen, aber allerdings bedeutend sichereren Werth 46° 11' 59",4 fand (10).

Ueber eine neue Bestimmung der Länge und den von Gautier erlangten Neubau wird später eingetreten werden (11), — und ebenso über die Resultate des geodätischen Anschlusses von Genf an das französische Dreiecksnetz (12).