Kapitel VII. Die Höhenmessungen.

 

66. Micheli du Crest.

Zu Genf 1690 geboren, trat Jacques-Barthelemi Micheli du Crest frühe in französische Militärdienste, und war 1713 bereits Hauptmann. Im Jahre 1721 in den grossen Rath s. Vaterstadt gewählt, erlaubte er sich in Beziehung auf die im Bau begriffenen Festungswerke eine andere Ansicht als die der damaligen Machthaber zu vertreten, wurde zur Verantwortung gezogen, und schliesslich, wenn auch zum Glücke nur „in effigie", enthauptet (1). Er hielt sich damals in Paris auf, wo ihn Reaumur, Maupertuis, Maraldi, etc. schätzten, und er sicher s. Weg gemacht haben würde, wenn er nicht s. ganze Umgebung mit beständiger Klage über das ihm geschehene Unrecht so gelang weilt hätte, dass ihm 1742 der Laufpass gegeben wurde.

In die Schweiz zurückgekehrt, trieb er es in Zürich und Bern in gleicher Weise, bis er an letzterm Orte 1749 bei Anlass der sog. Henzi-Verschwörung, wenn auch unschuldig, verhaftet, und auf die Festung Aarburg in Gewahrsam gebracht wurde. Anfangs sehr streng gehalten (2), konnte er sich später, muthmasslich auf Fürsprache von Albr. v. Haller, mit welchem er beständig in Correspondenz stand, dort ziemlich frei bewegen, ja am Ende sogar nach Zofingen übersiedeln, wo er 1766 s. bewegtes Leben abschloss. —

Unter den Verdiensten, welche sich Micheli durch s. wissenschaftlichen Arbeiten erwarb, sind voraus diejenigen zu erwähnen, welche sich auf Construction eines überall brauchbaren und leicht erstellbaren Wärmemessers beziehen. Sein Thermometer, das er zuerst in dem, später noch mehrmals aufgelegten Schriftchen „Description d'un thermometre universel. Paris 1741 in 8" beschrieb, war mit Weingeist gefüllt, — hatte als Nullpunkt ursprünglich den sog. „Terme universel" oder „Tempéré", d. h. den von ihm als constant erachteten Stand in dem 84' tiefen Keller der Pariser Sternwarte (3), — als zweiten Fundamentalpunkt den Siedepunkt bei 27" 9'" Par. Barometerstand, dem er 100 beischrieb (4), — und war zur Zeit sehr beliebt, so dass z. B. in der Schweiz bei einem halben Jahrhundert lang fast kein anderes Thermometer gebraucht wurde (5). —

Hieran anschliessend ist zu berichten, dass Micheli, wie namentlich aus mehreren Briefen an Haller hervorgeht (6), auch auf die Construction von Barometern und auf Höhenbestimmungen mit solchen Instrumenten grosse Sorgfalt verwandte, ohne sich dabei Illusionen über die zu erreichende Genauigkeit hinzugeben. Er hatte ferner schon in Jüngern Jahren wiederholt militärische und topographische Aufnahmen mit vielem Geschick gemacht (7), und verlor sein Interesse für solche Arbeiten auch später nicht, wie sich nicht nur dadurch erweist, dass er 1754 IX 5 an Haller schrieb:
„J'ai remis a Mr le Banneret Imhoff un mémoire qui renferme et explique sommairement la proposition pour lever géométriquement la carte générale et les cartes détaillées de toute la Suisse", — sondern vor Allem aus, dass er sogar als Staatsgefangener Mittel und Wege fand s. unfreiwillige Müsse für die Topographie nutzbar zu machen: Nicht nur leitete er aus mehrjährigen Barometerbeobachtungen die Meereshöhe von Aarburg ab, — sondern mittelte auch den Meridian
„par plusieurs observations faites sur l'etoile polaire avec un fil a plomb, lors de son pas-sage par le méridien supérieur et de son retour par l'inférieur, suivant l'heure et minute calculées d'après la Connaissance des temps" aus, — und construirte sich „un quart de cercle de 14 a 15 pouces de raion sur une planche, divise assez juste avec un compas de deux Batz", um die Azimuthe der von Aarberg aus sichtbaren Bergspitzen messen zu können.

Um auch noch die Höhen der Letztern zu erhalten, construirte er sich aus einem bei 24' langen „Dachkännel" eine Art „Niveau d'eau", an dessen einem Ende sich ein verschiebbares Stäbchen befand, das er nun so stellte, dass s. Spitze vom andern Ende aus die Höhe des zu messenden Berges zu haben schien (8). Die Horizontaldistanzen mass er auf der Scheuchzer-Karte (9), irrte sich aber begreiflicher Weise zum öftern beim Aufsuchen der anvisirten Spitzen, über deren Namen er mitunter getäuscht wurde, in der Karte, und da er überdiess, zwar der Erdkrümmung, nicht aber der Refraction Rechnung trug, so waren die resultirenden Höhen grösstentheils sehr mangelhaft.

Der häufig mit ihm verkehrende General Pfyffer (10) wies ihm viele Fehler nach, schrieb aber an Saussure (11): „Son Operation etait belle pour un homme renfermé dans un bastion et qui ne pouvait travailler que d'un seul point. La faute retombe plus sur ceux qui l'ont trompe sur les noms."

Und so ist in der That der auf den Messungen von Micheli beruhende, 65 cm. lange „Prospect géométrique des Montagnes neigées, dittes Gletscher, telles qu'on les découvre en tems favorable depuis le château d'Arbourg. — 1755. — Gravé par T. C. Lotter d'Augsburg" trotz aller s. Fehler und Unvollkommenheiten nicht ohne ziemliches Interesse, zumal er überhaupt die erste Arbeit dieser Art zu repräsentiren scheint (12).