Kapitel X. Die Messungen von Tralles und Hassler.

 

88. Johann Georg Tralles.

Als gegen Ende 1784 Professor Niclaus Blauner in Bern (1) sich bewegen liess die dortige Lehrstelle der Mathematik zu quittiren, wurde, auf Empfehlung von Sömmering hin, ein ganz junger Mann, Namens Tralles, eingeladen sich in Bern zu präsentiren, und sodann auf eine Probelection hin, welche er 1785 XII 8 in Gegenwart von Schultheiss Sinner, vieler Rathsherrn und einer grossen Anzahl anderer Zuhörer mit Erfolg gehalten und mit ge-
lungenen Experimenten illustrirt hatte, zum Professor der Mathematik und Physik erwählt (2):

Zu Hamburg 1763 unter dürftigen Verhältnissen geboren, hatte Joh. Georg Tralles in einem Schulexamen durch scharfsinnige und bestimmte Antworten die Aufmerksamkeit auf sich gezogen (3), und war hierauf einem Vereine empfohlen worden, der sich zu einer s. Hauptaufgaben gesetzt hatte, Talente, die unter dem Drucke der Umstände erliegen könnten, hervorzuziehen und ihnen die Mittel zu ihrer Ausbildung zu verschaffen.

Dank diesem Vereine konnte sich nun Tralles auf eine wissenschaftliche Laufbahn vorbereiten, und etwa 1782 die Universität Göttingen beziehen, wo er sich bald durch s. schnellen Fortschritte so bemerklich machte, dass ihm Kästner und Lichtenberg eine Stelle unter den besten Köpfen der damaligen Zeit einräumten, Letzterer überdiess erklärend, dass s. Hände ebenso geschickt seien als s. Kopf. Es hatte sich dieses Lob nun nicht nur bei der erwähnten Probevorlesung in Bern als begründet herausgestellt, sondern es zeigte sich auch bald, dass der junge Mann das sich s. Wirksamkeit eröffnende Terrain mit sicherem Blicke überschaue, und Willen, Kraft und Geschick habe nicht nur die academische Laufbahn mit Erfolg zu betreten, sondern sich auch auf weitern Gebieten um s. neue Heimat verdient zu machen, wie diess aus den folgenden Nummern klar hervorgehen wird.

Hier mag nur noch angeführt werden, dass Tralles wohl noch viel mehr geleistet hätte, wenn nicht so bald der Strudel der französischen Revolution Alles ergriffen, und momentan wissenschaftlichen Bestrebungen den Boden entrissen hätte. Immerhin vertrat er im Sommer 1798 die neugebackene „Eine und untheilbare helvetische Republik" auf dem nach Paris berufenen internationalen Congresse zur Feststellung neuer Maasse und Gewichte in ehrenvollster Weise, und sein 1801 erschienener „Bericht der Festsetzung der Grundeinheiten des von der fränkischen Republik angenommenen metrischen Systems" ist bis auf die neueste Zeit oft consultirt worden.

Noch am 18. October 1800 erhielt Tralles „von der Gesetzgebung mit Genehmigung des vollziehenden Rathes" das helvetische Bürgerrecht „wegen seiner ausgezeichneten wissenschaftlichen Kenntnisse und Helvetien bereits geleisteter Dienste", und nahm es mit Dank an; als dann aber allerlei Eifersüchteleien und Plackereien folgten, gegebene Versprechen für Untererstützung wissenschaftlicher Unternehmungen nicht erfüllt wurden, ja die Helvetik dem Zusammenbrechen entgegen ging, siedelte Tralles nach Neuenburg über, und sandte von dort im März 1803 s. Entlassungsgesuch von der Professur in Bern ein (4).

Im folgenden Jahre folgte er einem Rufe an die Berliner-Academie, und zierte deren Abhandlungen mit zahlreichen Arbeiten, bis er im November 1822 plötzlich in London verstarb, wohin er im Auftrage der Academie zur Beschaffung eines Pendelapparates gereist war.