Kapitel X. Die Messungen von Tralles und Hassler.

 

91. Ferdinand Rudolf Hassler.

Im Jahre 1770 zu Aarau dem Schaffner des Chorherren-Stiftes Münster, Jakob Hassler, geboren, kam Ferdinand Rudolf Hassler ziemlich jung nach Bern, um sich dort theils überhaupt eine höhere Ausbildung zu erwerben, theils speciell dem Studium der Rechtswissenschaften zu widmen (1). Seine natürliche Anlage liess ihn mit grossem Erfolge die mathematischen Vorträge besuchen, welche Tralles seit Kurzem in Bern hielt, und bald war er nicht nur s. vorzüglichster Schüler, sondern er nahm auch s. Lehrers Vorliebe für geographische Arbeiten in sich auf.

Ob er schon der Basismessung beiwohnte, welche Tralles 1789 (2) im Nieder-Aargau zwischen Suhr und Kölliken vornahm, dabei die Gisolafluh, die Wasserfluh, etc. anschliessend, weiss ich nicht mit Sicherheit (3); dagegen ist es ganz bestimmt, dass im Herbst 1791 zu seiner Belehrung und auf seine Kosten eine für uns noch viel wichtigere Basismessung mit anschliessender Triangulation statt hatte:

Vom 5. bis 13. September 1791 massen nämlich Tralles und Hassler mit der schon bei Thun gebrauchten Stahlkette, von einem zwischen Aarberg und Walperswyl gelegenen Punkte ausgehend, über das sog. grosse Moos weg gegen den Murtensee hin, eine Standlinie unter Anwendung der früher (4) beschriebenen Methode. Am Anfangspunkte der Basis war vor Beginn der Operation ein eichener Pfahl eingerammt, auf denselben ein provisorischer Punkt in Blei angemerkt, und von diesem die Richtung nach einem Thurme von Wifflisburg als Basisrichtung abgesteckt worden (5); am Ende der 402ten Kette, das nahe an das Ufer des Murtensee's zu liegen kam, wurde dann ebenfalls ein solcher Pfahl eingerammt, und durch Lothen der ihm entsprechende Punkt wieder in Blei angemerkt.

Später wurden (6) etwas innerhalb der provisorischen Endpunkte grosse Steinblöcke versenkt, und auf ihnen durch Stahlspitzen in Bleiguss die definitiven Endpunkte bezeichnet. Als Distanz der provisorischen Endpunkte hatte sich 1791 die Länge 40255',750 Par. ergeben (7), — dagegen später (8) als Distanz der definitiven Endpunkte. 40188',347 Par.; von einer Reduction auf das Meeresniveau war absichtlich wegen Unsicherheit der Meereshöhe Umgang genommen worden. Zum Schlusse wurden sodann noch in demselben Herbst 1791 einige Dreiecke an die Basis angeschlossen, durch welche successive Chasseral, Hasenmatt, Bantiger, Dent de Beaume, etc. bestimmt werden konnten (9).

Für den weitern Verlauf dieser Messungen auf die beiden folgenden Nummern verweisend, mögen hier zum Schlüsse noch einige Notizen über die spätern Schicksale von Hassler folgen: Nachdem Hassler noch den Rest des Jahrhunderts theils für diese Messungen und die Ausführung einiger verwandter Aufträge, theils für einige Reisen nach Deutschland und Frankreich verwendet, dann kurze Zeit in Aarau als Advokat practicirt hatte, schienen die Verhältnisse (10) nicht dazu angethan ihm für die nächste Zeit in der Heimat passende, und zur Erhaltung der ihm heranwachsenden Familie hinlänglich lucrative Arbeit zu verschaffen, und diess veranlasste ihn 1804 zu dem Entschlusse s. Glück in Amerika zu versuchen.

Anfänglich wollte jedoch auch da s. Stern nicht leuchten, in dem eine Speculation mit Ländereien total fehlschlug; als dann aber 1807 der Congress beschloss eine Küstenvermessung vornehmen zu lassen, fand der von Hassler dafür eingegebene Plan Beifall, und kam unter s. Direction, wenn auch nicht sofort und dann nicht ohne eine längere Unterbrechung, zur Ausführung:

Zunächst fand er noch einige Jahre als Professor der Mathematik an der Militär-Academie zu West-Point Verwendung; dann aber brachte er die Jahre 1811 —1815 im Auftrage der amerikanischen Regierung in England zu, um die Construction des grossen Instrumentenvorrathes, welcher für die gewaltige Arbeit nöthig war, persönlich zu überwachen, und machte von da aus 1812, nach dem Tode s. Vaters, einen kurzen Besuch in der alten Heimat.

Später sah er s. Vaterland nicht mehr, sondern blieb nach s. Rückkehr aus England, — abgesehen von der bereits erwähnten, durch den Rücktritt des Präsidenten Madison veranlassten Unterbrechung, welche er auf einer am St. Laurenzstrom angekauften Farm zu schriftstellerischen Arbeiten verwandte (11),— bis zu seinem 1843 erfolgten Tode in erfolgreichster und anerkanntester Weise für das grosse Unternehmen der Coast Survey thätig, das ihm in der Kulturgeschichte Amerika's, sowie in der Geschichte der Geodäsie, eine bleibende Ehrenstelle erworben hat.