Kapitel X. Die Messungen von Tralles und Hassler.

 

93. Die spätern Arbeiten von Tralles und Hassler.

Im Jahre 1797 schrieb Tralles an Baron von Zach (1):
„Seit einigen Jahren wünschte man hier (in Bern), dass ich an der Grundlage einer Karte der Schweiz arbeiten möchte. Im Jahre 1791 (2) nahm sich die öconomische und physicalische Gesellschaft dieses Geschäfts nach einem möglichst ausgedehnten Plane an. Man sah, dass mit der Verfertigung einer Karte bequem allerley Vortheile für die Wissenschaften verbunden werden könnten, und welche zum Theil auch die Kosten der Ausführung vergüten würden.

Der Plan der Unternehmung wurde entworfen, und mir die Direction derselben aufgetragen; Feldmesser und Zeichner sollten für die Aufnahme und Zeichnung des Details angestellt werden. Da man auf den Beystand der Regierung rechnete, so trug ihr die Societät das Project vor, welches wohl aufgenommen, zugestanden und einstweilen mit einem Beischusse von 150 Louisd'or unterstützt wurde.

Im Sommer 1792 formirte ich Dreiecke mittlerer Grösse von einer Zwischenbasis von 17000' Par. (3) um die Feldmesser zugleich von bestimmten Punkten aus arbeiten zu lassen (4); ich hatte bey dieser Arbeit zugleich die Absicht bequeme Stationen für die grossen Dreiecke (von einer 40000' langen, schon gemessenen Basis ausgehend) aufzufinden, damit die Aufsuchung der Stationen nicht einzig ein Werk für sich würde, und die Besteigung grosser Höhen nicht zuweilen unnütz und vergebens
seyn möchte
(5).

Ich verband sie daher mit jener Operation, weil sie ihrer Natur nach doch am Ende mit ihr Verbindung haben musste. Das hiebey gebrauchte Instrument war ein Kreis von Cary, dessen Azimuthal- sowohl als Verticalkreis 16" im Durchmesser hielt (6). Allein ich wünschte noch bessere Werkzeuge für die grosse Messung zu besitzen, und die Societät wünschte mit mir, bei Gelegenheit dieser Aufnahme einen Beitrag zur nähern Bestimmung der Figur der Erde mit dem Grade von Genauigkeit zu geben, welchen man von dem heutigen Zustand der Wissenschaft zu fordern und zu erwarten hat. —

Ich wandte mich also an Ramsden, um ein solches Werkzeug wie jenes des General Roy zu erhalten. Ich darf von Glück sagen, dass er es in 3½ Jahren vollendet hat; aber es ist so lange auf der Reise (wegen der Unruhen in Deutschland) gewesen, dass es erst in diesem Jahre (1797) in Bern angekommen ist. Es kostet hier auf Ort und Stelle nicht mehr als 250 Carolin oder 6000 franz. Livres (7). —

Die Kriegsfeuersignale dieses Landes sind für Signale zu trigonometrischen Operationen nicht hinlänglich genau gelegen, sie sind nicht alle symmetrisch genug gebaut, und es würde schwer sein sie bei Nacht zu gebrauchen (8). Einige von ihnen sind indessen wohl gelegen, aber man muss bei ihnen Stangen als eigentliche Signale errichten.

Im Jahre 1793 trat die öconomisch-physicalische Gesellschaft vor die Regierung, und suchte die Errichtung dieser Stangen auf obrigkeitliche Anordnung zu erhalten; diess war wegen der Sicherheit dieser Signale (man weiss, wie unangenehm, und von welchen Folgen der Verlust eines Signales ist), und wegen des geringern Hindernisses bei ihrer Aufrichtung nothwendig; auch ist ein solches Unternehmen, welches unter obrigkeitlicher Autorität geschieht, und von der Regierung angeordnet wird, mit mindern Ausgaben verknüpft, als wenn es von Particuliers allein unternommen wird.

Es wurde aber von Seite der Regierung eine nähere Bestimmung dessen, was hiebey geschehen solle, gefordert. Indessen bevor die Societät einen ausführlichen Bericht erstatten konnte, waren die Umstände dieses Landes so beschaffen, dass man nicht für rathsam hielt, in diesem Zeitpunkte in dieser Sache etwas zu verfügen. —

Die oben erwähnte Basis von 40000' ist auf Anlass des Unterrichtes, welchen Herr Hassler bei mir hatte, gemessen worden. Die damals daran gelegten Dreiecke, obwohl sie für einen Kartenfabrikanten überflüssige Genauigkeit haben möchten, betrachte ich nur als provisorisch bestimmt; die Basis hingegen ist mit aller Sorgfalt gemessen, und durch grosse dazu gehauene Steinsäulen an den Endpunkten versichert worden.

Für die Dreiecke wurden auf einigen Bergen Signale errichtet, nur auf einem schien mir das Kriegsfeuer-Signal brauchbar (9). Hingegen ein Paar der entlegensten Stationen, die wir des schlechten Wetters wegen nicht mehr besuchen konnten, blieben ohne Signale und ihre kenntliche Spitze diente zur Beobachtung; eine Methode, die man jedoch gar nicht befolgen darf, sobald von solchen Stellen weitere Messungen zu führen bevorsteht. Da Herr Hassler diese Arbeit zur Erweiterung s. Kenntnisse nützlich fand, so bestritt er die Kosten derselben.

Diese Arbeit wurde im Herbst 1792 gemacht (10), und das folgende Jahr darauf verschrieb ich Hrn. Hassler verschiedene Instrumente aus London (11). Er ist ein sehr geschickter Beobachter; er machte damit die Grenzbestimmungen der Kantone Bern und Solothurn, und bey dieser verdriesslichen Arbeit hat er sich sehr geschickt durch eine Menge schwieriger Dreyecke hindurch zu wickeln gewusst; er ging von einer 17000 Fuss langen Basis aus (12), und machte seine Versicherungsbasis von 2000 Fuss (grösser gestattete sie das Locale nicht) nur 7 Zoll von der Beobachtung verschieden (13). Diese Vermessung wurde ihm von dem hiesigen Commissariat aufgetragen, und derselben hat er sich meisterhaft entlediget (14). Wenn alle ähnlichen Commissionen mit gleichem Grade von Genauigkeit vollführt würden, so käme etwas sehr brauchbares fürs Ganze heraus." —

 

Bald nachdem dieser Brief an Zach abgegangen, nämlich im Sommer 1797 unternahmen Tralles und Hassler eine Neumessung der Basis bei Aarberg, und zwar berichtete Letzterer (15) darüber Folgendes:
„En 1797 la distance des deux pierres fut mesurée de nouveau avec des perches de quatre toises (16), étalonnées exactement dans une toise de Canivet (17). Elle fut trouvée à la température de 15°,0 de l'échelle de Réaumur ordinaire être de 40188,543 p. de Fr. (18). Donc les deux mesures de la base diffèrent 0,196 p. de Fr. (19). Le nivellement de cette base ne put être exécuté en 1791 à cause de la saison avancée. En 1797 elle fut nivellée avec un Instrument circulaire de Cary à Londres, et le point nord trouvé de 353 pouces plus élevé que le point sud, et toute la base d'une pente à peu près uniforme, ce que la configuration du terrain avait montré d'abord au commencement (20). Comme la différence des niveaux ci-dessus n'a qu'une influence extrêmement minime sur la longueur de la base on n'y a point eu égard."

Es ist noch beizufügen, dass Tralles die Messung von 1797 derjenigen von 1791 entschieden vorzog, weil er eine kleinere und sicherere Temperatur-Correction anzubringen hatte (21), — somit das Resultat der Neumessung als definitive Länge annahm und nicht das Mittel aus beiden Messungen; ferner, was oft übersehen worden ist, des Bestimmtesten erklärt: „Diese Länge ist noch auf eine in der Oberfläche der Erde liegende Linie zu reduciren. Aber bisher habe ich nicht genau genug die Höhe des Murtener-Sees über das Meer bestimmt, desswegen gebe ich das ohngefähre Resultat nicht an, bis dieses geschehen sein wird" (22). —

Nach vollendeter Basismessung beabsichtigte Tralles mit dem Ramsden'schen Kreise theils an der Basis, theils auf Chasseral, Hasenmatt, Bantiger und Aiguille de Beaume die nöthigen Winkel zu messen. Von bestimmten Angaben habe ich nun allerdings bloss einige Horizontal- und Vertical-Winkel gefunden, welche Hassler mit s. Cary-Kreise am 10. bis 15. August 1797 an der Basis gegen Chasseral und Hasenmatt hin maass, und bin so unsicher, ob nicht auch für die übrigen Winkel dieses transportablere Instrument vorgezogen wurde; dagegen gemessen wurden diese und wahrscheinlich noch einige andere Winkel unzweifelhaft, wie auch noch aus folgender, überhaupt interessanter Notiz des jedenfalls gut unterrichteten französischen Berichterstatters hervorgeht (23):

„La base (sur les marais d'Arberg) a été mesurée avec toute la précision et les attentions minutieuses que la savante théorie du géomètre a pu lui suggérer. Cette base a été liée immédiatement au Chasseral et à la tête de Rang, deux sommités du Jura; celles-ci ont été liées a quelques points du Canton de Berne; ces derniers à la chaine qui sépare ce canton du Valais, puis au Mont Pilate sur le bord occidental du lac de Lucerne, et enfin à quelques montagnes au-delà de Soleure.

On peut évaluer à un quart de l'Helvétie, la surface qu'embrassent les triangles du Cen. Tralles; mais ils ne sont pas tous fermés. Néanmoins ce travail ne demande qu'a être continué, pour offrir en peu de temps un canevas général très exact sur cette intéressante contrée, qui, servant de cadre et de vérificateur aux excellens détails topographiques de Weiss, donnerait bientôt, et à peu de frais, une carte précieuse de l'Helvétie liée à celle de France." —

Das in der eben gegebenen Notiz berührte, von Tralles und Hassler in den 90er Jahren nach und nach gelegte Dreiecksnetz ist nach einer Zeichnung des Letztern in starker Verjüngung (m = 5) hier beigefügt.

Netz Moos

Dagegen sind die erhaltenen Nachrichten über die Erstellung desselben sehr lückenhaft, und ich muss mich darauf beschränken Folgendes mitzutheilen:
— Einerseits geht aus den erhaltenen Brouillons von Hassler hervor, dass er in den Jahren 1792 bis 1800, mit Cary-Kreis, Sextant, Spiegelkreis, Barometer, etc. bewaffnet, in Aarau, Morgenthal, Bern (Münsterthurm), Yverdon, Morges, Vivis, Sursee, Lenzburg (Schloss), Zürich (Karlsthurm), auf der Gisolafluh, Lägern, Berra, auf dem Homberg, Uto, Lüshüttenhubel, Heiligenland, Wiesenberg, Bantiger, Grossen St. Bernhard, etc. vielfach stationirte, und zu Gunsten astronomischer, trigonometrischer und hypsometrischer Bestimmungen zahlreiche Beobachtungen machte (24),
— und anderseits hat sich unter s. Papieren ein Blatt mit der Aufschrift „Résultats principaux des mesures" erhalten, auf welchem sich von 51 Punkten die wohl zum Theil direct ermittelte, zum Theil aber wohl auch aus trigonometrischer Verbindung abgeleitete Länge und Breite, sowie von einem Theile dieser Punkte die Meereshöhe angegeben findet (25). —

Zum Schlusse ist noch zu erwähnen, dass ein vom Jahre 1805 datirender
„Vergleich zwischen den Cantonen Bern, Zürich und Aargau die Hassler'schen Arbeiten betreffend" existirt, nach welchem die drei Kantone
„die von Herrn Professor Tralles und Herrn Ferdinand Rudolf Hassler von Aarau gemachten Arbeiten zur Aufnahme einer Landkarte der Schweiz, von Letzterm,
welchem sie zugehörten"
, für die Summe von 3000 Fr. käuflich an sich brachten, und dass sich wirklich gegenwärtig noch im Berner-Staatsarchive (respective im Archive des Kantonsgeometers) eine Anzahl von zwar sehr fragmentarischen Zeichnungen, Plänen und Beobachtungsbüchern vorfindet, welche mir aber für die Entwerfung gegenwärtiger Geschichte sehr werthvoll waren, und auch zur Zeit Trechsel und Finsler einige brauchbare Anhaltspunkte gaben, dagegen jetzt kaum mehr eine ernstliche Verwerthung irgend einer Art erlauben dürften.