Kapitel X. Die Messungen von Tralles und Hassler.

 

94. Die Arbeiten von Altermatt und Walker.

Zu derselben Zeit, wo Tralles und Hassler ihre, zur Grundlage einer, allerdings zunächst den Kanton Bern beschlagenden, aber doch nach allen Seiten über dessen Grenzen weg greifenden Karte, bestimmten Arbeiten vornahmen, und vielleicht sogar in einem gewissen Zusammenhange mit denselben, wurden auch im Solothurnischen durch den nachmaligen Oberst Altermatt bemerkenswerthe Vermessungen gemacht. —

Im Jahre 1764 dem von Solothurn gebürtigen, aber damals in französischen Diensten stehenden General Joseph Bernhard von Altermatt geboren, wurde Johann Baptist von Altermatt nach dem frühen Tode der Mutter successive zu Strassburg, Bellelay und Colmar in Instituten erzogen, — erhielt aus Gunst schon 1777 eine Unterlieutenants-Stelle in dem von s. Vater commandirten Regimente, und rückte bis 1784 zum Fähndrich bei der Schweizergarde vor, — musste dann aber wegen Kränklichkeit Urlaub nehmen, und setzte nun in Solothurn s. Studien namentlich in mathematischer Richtung fort (1). Wahrscheinlich datirt aus dieser Zeit ein sauberes Compendium, das unter dem Titel:
„Cours et Résume de l'Arpentage, contenant la géométrie théorique et pratique, la trigonométrie rectiligne et la planimétrie, etc., par Mr Altermatt fils"
noch vorhanden ist (2), und ganz artige mathematische Kenntnisse ausweist (3), ferner Abbildungen von Messtisch, Astrolabium (4), Boussole und Kette zeigt, dagegen keines genauem Winkelinstrumentes erwähnt. —

Im Jahre 1786 erhielt Altermatt die Erlaubniss die Rathsherren Grimm und Gibelin auf einer Grenzbereinigungsreise gegen Basel als „Ingenieur volontaire" zu begleiten, und fasste bei dieser Gelegenheit den Entschluss zu einer Kantonsvermessung, auf welche sofort näher eingetreten werden soll. Bei der Grenzbesetzung von 1792 war er Adjutant s. Vaters, der damals die solothurnischen Truppen commandirte.

Im Jahre 1796 wurde er Grossweibel mit Aussicht Landvogt von Dornach zu werden, — hatte sich aber dafür zwei Jahre später bei der allerdings erfolglosen Vertheidigung gegen das Eindringen der Franzosen „que l'on ne peut nommer que révolution et brigandage, et non guerre" zu betheiligen. Im Jahre 1802 war Altermatt bei dem sog. „Stecklikrieg" Adjutant des Generals von Erlach,
— 1804 wurde er Artillerieoberst,
— 1806 „Bau- und Wegherr",
— 1813 Rathsherr und Kriegscommissär,
— 1822 Mitglied des Appellationsgerichtes.
Im Jahre 1837 quittirte er alle s. öffentlichen Stellungen, und starb 1849 nach wohlverdienter Ruhe. —

 

Ein im Nachlasse von Altermatt befindlicher Actenband (5), der als ersten Titel „Recueil de mes recherches et calculs qu'il m'a falu faire pour me faciliter en 1795 la levée du plan du Canton de Soleure", und als zweiten Titel „Brouillon du plan du Canton de Soleure fait en 1795, 96 et 97" zeigt, enthält ausser vielen Rechnungen, Notizen und zum Theil gar nicht übel gezeichneten Croquis, einen Bogen, welcher 44 vollständige Dreiecke enthält, die sich über den grössten Theil des Kantons verbreiten:
In jedem Dreiecke sind die drei, auf die Summe von 180° ausgeglichenen Winkel bis auf Sekunden gegeben, und die daraus unter Voraussetzung, es betrage die Distanz Büren-Arch 15574,3 Fuss (6), erhaltenen Seiten; das Dreiecksnetz ist etwas verworren, und manche der Dreiecke sind sehr stumpfwinklig; Hasenmatt und Röthifluh erscheinen nur als untergeordnete Punkte; über die Weise, wie Standlinie und Winkel erhalten wurden, findet sich leider absolut nichts angemerkt, — und es muss so unentschieden bleiben, ob und wie er Alles selbst gemessen hat, oder ob er einige Winkel und vielleicht jene Distanz von Hassler erhielt (7).

Item, ein Dreiecksnetz besass er, und anderseits geht aus den Notizen und Croquis hervor, dass er namentlich auch die Distanzen der Grenzmarchen maass, und die Richtungen mit der Boussole bestimmte. Ob er für den selbst aufgenommenen Detail den Messtisch benutzte, oder ihn zum Theil durch Coordinatenmessung, zum Theil sogar à vue festzulegen suchte, ist mir ebenfalls nicht klar geworden; dagegen geht ganz deutlich hervor, dass er für einzelne Kantonstheile ältere, schon vorhandene Pläne der Geometer Moser, Schwaller, Derendinger, Erb, etc. benutzte. —

Die schliesslich von Altermatt zusammengestellte „Carte topographique du Canton de Soleure faite en 1796, 97 et 98 par M. le Major Altermatt" bildet nach Mittheilung von Herrn Professor Ott ein Blatt von 160 auf 137 cm., beschlägt den ganzen Kanton, und geht nur im Detail nicht überall gleich weit, so dass z. B. die Waldungen da und dort fehlen, während sie um Solothurn herum, im Leberberg und bei Kriegstetten, dann von Kestenholz über Olten bis an die östliche Grenze des Kantons aufgenommen sind, — ja in Rödersdorf, wo Altermatt Besitzungen hatte, sogar die Feldereintheilungen. Die Anlage der Karte ist so genau, als es bei dem grossentheils schwierigen Terrain und der doch etwas unvollkommenen Triangulation nur immer erwartet werden darf (8), und ihre Ausführung in Federzeichnung, in der die Terrainbewegungen durch saubere Schraffuren dargestellt sind, ist nach dem durch Herrn Ott erhaltenen Bericht als ganz hübsch zu bezeichnen. —

Noch mochte Altermatt mit der Reinzeichnung s. Karte beschäftigt sein, als beim Einmarsche der Franzosen General Schauenburg von ihrer Existenz Kenntniss erhielt, die Auslieferung derselben verlangte, und, als Altermatt dieselbe verweigerte, mit Execution drohte, so dass Bürgern und Räthen nichts anderes übrig blieb, als die Herausgabe unter ihrer Verantwortlichkeit anzubefehlen. Altermatt verschmerzte den Verlust nie, und als er 1816 bei einer Grenzbereinigung mit französischen Ingenieuren zusammenkam, und diese sich durch s. loyales Benehmen zu Dank verpflichtete, so verzichtete er, unter Voraussetzung dass man ihm s. Eigenthum zurückerstatte, auf jede andere Anerkennung der geleisteten Dienste; die schliessliche Folge war, dass ihm 1819, auf Verwendung des General Guilleminot, seine Originalkarte wirklich aus dem Dépot de la guerre wieder verabfolgt wurde (9). —

In wie weit Altermatt s. Karte für den durch G. Thoma in Basel nicht übel in Stein gestochenen „Plan der Stadt und des Stadtbezirks Solothurn; mit Bewilligung der höh. Regierung in Solothurn aus den in ihren Archiven liegenden geometrischen Grundrissen (so seit 1819 aufgenommen worden) ausgezogen, reducirt und gezeichnet durch J. B. Altermatt, Oberst in Solothurn A. 1822", ein Blatt von 48 auf 51½ cm. im Maassstabe von etwa 1/10’000, mitbenutzte, weiss ich nicht; dagegen kann ich mit aller Sicherheit aussprechen, dass die 1836 von Strohmeyer in s. Gemälde des Kantons Solothurn gegebene Notiz: „Dem helvetischen Almanach ist ein von Scheuermann gestochenes Kärtchen des Kantons angehängt, eine in kleinerm Maassstab aufgenommene Copie jener von J. B. Altermatt gezeichneten grössern Karte, die beim Einzuge der Franzosen verloren ging" in ihrem zweiten Theile unrichtig ist, da sich zwischen Altermatt und Scheuermann ein grösserer Unterschied als zwischen Generalkarte und Scheuermann ergibt (10), was ja bei einer Reduction kaum der Fall sein würde, — und ich kann besagtes Kärtchen von Scheuerrnann nur als einen flüchtigen Auszug aus verschiedenen ältern Karten bezeichnen, der nach s. Anlage nur wenig besser als die Karte von Grimm, und bedeutend schlechter als die zur Zeit s. Entstehung bereits vorhandene Meyer'sche Karte ist (11). —

 

In richtiger Weise, nämlich mit gehöriger Revision auf dem Felde und vielfacher Verbesserung und Ergänzung durch absolut neue Aufnahmen, wurde die Karte von Altermatt erst durch Walker benutzt:

Zu Oberdorf bei Solothurn im Jahre 1800 geboren, hatte sich Urs Joseph Walker, nachdem er zu Solothurn und München gründliche Studien gemacht, im Jahre 1825 in der Heimat ein Geometer-Patent erworben (12), — arbeitete dann einige Zeit bei Dufour, mit welchem er in Thun als Genie-Aspirant bekannt geworden war, — versah nachher mehrere Jahre in Solothurn die Stelle eines Polizeilieutenants, — und begann dann, wie schon angedeutet, eine neue Kantonskarte zu bearbeiten, welche er, von Engelmann zu Paris in Stein gestochen, unter dem Titel:
„Carte des Cantons Solothurn, aufgenommen vom Jahre 1828 bis 1832, gewidmet der höh. Regierung des Standes Solothurn von Jos. Walker, Lieut. im eidg. Genie-Corps. 1832" in vier Blättern, welche zusammen eine Tafel von 95 auf 80 cm. bilden, erscheinen liess; die Terrainzeichnung ist nicht übel, wenn auch die Bergkämme noch gar zu Raupen-artig aussehen, und die zenithale Beleuchtung das Relief zu wenig hervortreten lässt, — namentlich aber wurde sie nach Anlage und Detail von Dufour für zuverlässig genug gehalten, um sie, mit einziger Ausnahme des durch Mohr neu aufgenommenen Amtes Olten-Gösgen, für den Schweizer-Atlas zu benutzen (13).

Dagegen scheint Walker bei der Ausgabe der Karte s. Rechnung nicht gefunden, und namentlich von der Regierung die in Aussicht gestellte Subvention nicht voll erhalten zu haben, was ihn natürlich verstimmte, und vielleicht den Grund zu s. spätem Krankheit legte. Nachdem er nämlich von 1833 an, wo er Hauptmann im Geniestab geworden war, seine Zeit theils als Instructionsofficier unter Dufour, theils zu verschiedenen topographischen Aufnahmen (14) verwendet hatte, wurde er zeitweilig geisteskrank, so dass man seinen 1855 erfolgten frühen Tod als eine Erlösung betrachten musste.