Kapitel XI. Die Messungen und Arbeiten der Feer und Usteri.

 

96. Johannes Feer.

Zu Rheineck im Jahre 1763 dem dortigen Pfarrer, Johannes Feer von Zürich, geboren, hatte Johannes Feer das Unglück schon im folgenden Jahre s. Vater zu verlieren, — fand dann aber in s. Oheim, dem Landschreiber Vögeli in Bremgarten (1), einen trefflichen Pflegevater, der s. mathematisches Talent erkannte und ausbildete, — auch Jetzler in Schaffhausen (2), Schanzenherr Fries (3) und Rathsherr Salomon Gessner (4) in Zürich für ihn zu interessiren wusste.

Mit Hülfe der letztern beiden Gönner erhielt Feer ein Staatsstipendium um sich im Auslande zum Architekten und Ingenieur auszubilden, und brachte nun die Jahre 1783 bis 1786 in Deutschland und Frankreich zu, — namentlich in Wien, Dresden, Paris und Strassburg je längere Zeit s. Fachstudien obliegend.

Nach Hause zurückgekehrt, und sofort vom Staate zu Aufnahmen (5) und andern in s. Beruf einschlagenden Arbeiten verwendet, trat Feer auch alsbald in die Naturforschende Gesellschaft ein (6), und wusste nicht nur dieselbe zu veranlassen theils 1787 bei der Regierung um Wiederherstellung des Observatoriums auf dem Karlsthurm (7), das in Folge einer nothwendig gewordenen Umbaute provisorisch eingegangen war, nach einem von ihm entworfenen Plane, einzukommen (8), — theils den Instrumentenvorrath desselben wesentlich zu ergänzen, — sondern namentlich auch durch Eifer und Geschick im Beobachten der verjüngten Anstalt alsbald ein gewisses Renommee zu erwerben.

„Von allen 13 Cantons ist Zürich die einzige Stadt, welche eine Sternwarte hat", sagt Johannes III Bernoulli in einem Reiseberichte von 1792 (9). „Um auf dieselbe zu kommen, muss man viele hundert Stufen steigen, und eine Menge kleiner, enger und zum Theil finsterer Wendeltreppen hinan klettern, bis man endlich auf ein sehr artiges Zimmer gelangt. Noch einige Stufen höher ist der achteckige Observationssaal. Von drey oder vier Seiten dieses Saales gehen Thüren in ebenso viele Cabinettes, welche auf die Gallerie des Thurmes gebaut sind.

In einem dieser Cabinette ist das vierfüssige Mittagsrohr, von Herrn Breitinger in Zürich (10) verfertiget, auf zwey steinernen Pfeilern aufgestellt, das Objectiv ist achromatisch und von Tiedemann in Stuttgart (11) ; der 16zollige Kreis von Cary (12) ; eine astronomische Uhr mit Pendel von Eichenholz, von Pfenninger in Zürich verfertigt (13) ; ein 14' hoher Gnomon; ein 18zolliges gregorianisches Telescop in Franeker gemacht, aber von keinem besondern Werthe; einen beweglichen 3füssigen Quadranten von Brander in Augsburg (14) , ganz nach der alten Art mit Transversalen getheilt, hat sich Herr Feer noch nicht entschliessen können auf s. Sternwarte hinaufwinden zu lassen, wo es ohnehin an Platz gebricht. Diese Instrumente gehören alle der Züricher-Gesellschaft der Naturforscher, welche die Unterhaltung dieser astronomischen Anstalt aus ihren Privatmitteln bestreitet; der Stadt-Magistrat (15) hat nur die Kosten des Baues hergegeben." Bernoulli fügt bei:

„Herrn Feer erlauben s. Amtsgeschäfte nur des Winters sich mit Astronomie zu beschäftigen; inzwischen hat er einen s. Zöglinge, Namens Däniker (16) , zum Gehülfen der practischen Sternkunde zugezogen. Herr Feer hat die Länge s. Sternwarte durch die Sonnenfinsternis vom 2. April 1791 und durch zwei Sternbedeckungen am 7. April 1792 bestimmt, und solche 26° 13' 20" gefunden." (17) —

Abgesehen von den später speciell zu besprechenden Arbeiten (18), bewies Feer s. Leistungsfähigkeit als Topograph durch die im Jahre 1796 im Auftrage des hochherzigen Jakob Laurenz Custer (19) aufgenommene Karte des Rheinthales, welche unter dem Titel
„ Specialcharte des Rheinthals. Trigonometrisch aufgenohmen und gezeichnet von Ingr Joh. Feer v. Zürich. Auf Kosten von J. L. C. — H. Lips (20) sculpsit", auf einem Blatt von 67 auf 42 cm. erschien (21), und die man nach Zeichnung und Stich als ausgezeichnet schön (22), nach ihrer Anlage sogar als fast fehlerfrei (23) bezeichnen kann.

Da diese Karte so ziemlich die erste Darstellung eines Theiles der Schweiz ist, bei welcher die neuern Hülfsmittel zu voller Anwendung kamen, so mag noch Einiges über das von Feer befolgte Verfahren mitgetheilt werden:

— Er maass mit einer Kette in dem sog. Eisenried zwischen Rebstein und Wydnau eine Basis von 1751.2 t,
— bestimmte mit Hülfe von dieser und den nöthigen Winkeln, welche er mit einem 7zölligen Spiegelsextanten von Gilbert und Whrigt, der 15" zu schätzen erlaubte (24), unter Reduction auf den Horizont maass, die Seiten eines die ganze aufzunehmende Gegend beschlagenden Dreiecksnetzes,
— ermittelte von Grünenstein aus mit Hülfe von Sonnendistanzen das Azimuth der Kirche Kriesern, um sodann die Coordinaten aller Dreieckspunkte auf den Meridian von Grünenstein berechnen zu können,
— machte auch mit Hülfe von Horner (25), der ihn überhaupt bei dieser Arbeit assistirte, eine Anzahl astronomischer Ortsbestimmungen (26),
— legte eine grosse Anzahl wichtiger Punkte dadurch fest, dass er von ihnen aus die Winkel nach je drei Dreieckspunkten maass,
— und trug endlich den eigentlichen Detail theils mit Hülfe vorhandener Pläne (27), theils „bei sorgfältigem Durchgehen der ganzen Gegend an Ort und Stelle nach dem Augenmaasse" ein. —

Im Jahre 1798 erhielt Feer durch Vermittlung von Zach eine sehr vorteilhafte Stellung als Bauinspector in Meiningen, und verlebte dort die Revolutionsjahre s. Heimat in sehr angenehmer Weise, bis er 1805 von Zürich aus als Ingenieur und Schanzenherr wieder heim berufen wurde.

Seine Amts-Arbeiten, die er in gewissenhaftester und bester Art ausführte, berühren uns jedoch hier natürlich nicht, — und da, wie schon erwähnt, seiner geodätischen und astronomischen Thätigkeit einlässlich gedacht werden wird, so bleibt hier nur noch anzuführen, dass er bald nach s. Rückkehr auf von der Behörde geäusserten Wunsch eine Art Privatinstitut eröffnete, um junge Leute in die verschiedenen Theile der angewandten Mathematik theoretisch und praktisch einzuführen (28) — und dass er überhaupt bis zu seinem 1823 erfolgten Tode nach allen Richtungen Vorzügliches leistete (29).