Kapitel XI. Die Messungen und Arbeiten der Feer und Usteri.

 

98. Die Messungen.

Die Hauptarbeit, welche die math. milit. Gesellschaft in Zürich zu Gunsten der Topographie des Kantons Zürich patronisirte und auch mit Geld unterstützte, war die Messung einer Basis im Sihlfeld zur Grundlage einer Triangulation.

„Schon lange hatte Herr Ingenieur Feer", erzählt der von Hirzel verfasste Jahresbericht für 1791/2, „der Gesellschaft das Verlangen geäussert ein Unternehmen zu veranstalten, wel-ches unsern geographischen Arbeiten mehr Richtigkeit und Genauigkeit verschaffen würde, und hatte dessnahen sint einichen Jahren auf verschiedenen Grenzen-Reisen neben den barometrischen Abmessungen von den Höhen zu Behuff des von Herrn Zunftmeister Usteri verfertigten Basreliefs (1) an Orten, wo er eine ausgebreitete Aussicht fände, in der sich verschiedene merkwürdige Gegenstände entdecken liessen, einige Winkelmessungen vorgenommen, allein er konte, theils wegen nicht genügsamer Richtigkeit der Instrumenten, theils aber weil er keine Basis oder Standlinie hatte, nicht die gehörigen Resultate dar-aus ziehen, und desswegen zu Berichtigung der Charte keine Vortheile erhalten.

Da nun aber die Anschaffung des Circular-Instruments (2) , welches zwar wegen seiner so sehr subtilen und combinirten Einrichtung und dessnahen verursachenden Schwierigkeiten der Transportation, nicht so fast zu trigonometrischen Arbeiten auf dem Felde als aber zu astronomischen Beobachtungen auf dem Observatorio zu gebrauchen ist, uns in den Stand gesezt mit mehr Richtigkeit und Genauheit dissfällige Versuche zu veranstalten, so gaben wir uns alle Mühe eine Fläche nahe bey der Stadt aufzusuchen, auf deren wir eine Standlinie von erforderlicher Länge messen können, von welcher dann einige merkwürdige Punkte festzusetzen wären.

Wir fanden bei genauer Untersuchung dass der untere Theil des Sihlfeldes samt den daran stossenden Wiesen als eine fast horizontal liegende Fläche hiezu am dienlichsten wäre, auch dass mit derselben einige wichtige Gegenstände in Verbindung gebracht werden könten.

Nachdem nun alle nötigen Anstalten hiezu getroffen worden, so nahmen wir die Messung selbst vor, nemmlich von Herr Rittmeister Otten Landhaus bis an den Friedgraben der die Allment von den Herderen Wiesen scheidet, in möglichst gerader Linie, welche mit Stäben ausgestekt und bezeichnet worden; die Länge derselben wäre 10578 Schuhe; an den beyden Endpunkten wurden die Winkel auf die Hochwachten Ütliberg, Geissberg und die Kirchthürme Altstetten, Höngg und Wipkingen aufgenohmen.

Da nun aber bey einer solchen Messung die grösstmögliche Genauigkeit erforderlich ist, weil nämlich die gemessene Linie zur Basis von verschiedenen Triangeln dient, so kann man nicht genug Vorsichten gebrauchen, um sich von der wahren Länge einer solchen Linie auf das vollkommenste zu versichern, und ist dessnahen nöthig, dass dieselbe zweimahl, nämlich einmahl hin und das andere mahl wieder zurukgemessen werde. Dieses geschähe dessnahen auch hier.

Das Resultat der letztern Messung wäre nur 10556 Schuh, es zeiget sich also zwischen diesen beiden Messungen eine Differenz von 22 Schuh, welche zwar einzeln genohmen, sehr gross scheint; allein wenn sie auf jeden Kettenzug, deren 211 waren, repartirt wird, so komt ungefähr l Zoll Fehler auf einen solchen, und beträgt 1/480 der ganzen Länge. Es liesse sich leicht vorstellen, dass zwischen diesen Messungen ein solcher Unterschied sich zeigen werde, wenn man bedenkte, dass sie grösstentheils über neu aufgebrochenes Feld und nur mit gewohnten Messketten geschehen.

Da hingegen bey den Messungen dieser Art, welche in Engelland und auch erst vor wenig Jahren im lobl. Canton Bern gemacht worden (3) , theils weitläuffigere Anstalten und vollvollkommnere express dazu eingerichtete Werkzeuge gebraucht worden, welche aber so viel Kosten verursachen würden, die unsere Kräfte überstiegen, theils auch das Terrain dazu vortheilhafter gewesen, indem an beyden Orten flacher Wiesengrund dazu hat ausgewählt werden können."

Im Weitern wird dann noch der Plan besprochen diese Messung in der Folge zu berichtigen, und darauf eine vollständige Triangulation und Revision der Karte des Kantons zu gründen, welch letztere, trotz der für ihre Zeit unbestrittenen Vortrefflichkeit der Gyger'schen Karte, nunmehr schon wegen der seither vorgekommenen Veränderungen am Platze sein dürfte.

Wirklich wurde sodann die Basismessung im Herbst 1793 unter Anwendung eines Stangenapparates, der aber nicht recht befriedigte, wiederholt, und erst 1794 gelang die Operation mit einem abgeänderten Apparate, wie uns der von Escher erstattete Jahresbericht von 1794/5 mit folgenden Worten erzählt:
„Zur Messung hatten wir 20füssige aus 3 dünnen Bretchen zusammengesetzte hohle Stangen, die immer auf Unterlagen zu liegen kamen, die aus starken auf die Kante gestellten Latten bestuhnden, und an starken eisernen Haken hingen, welche vermittelst eines nach Willkühr beweglichen oder festen Ringes an den zu diesem Ende in die Erde eingetriebenen Pfählen befestigt waren.

Da also die Unterlagen auf denen die Messung geschähe nicht auf den Köpfen der in die Erde getriebenen Pfählen sondern auf den beweglichen Haken ruheten, so war es leicht ihnen die nöthige horizontale Lage zu geben und das Schwanken der Pfähle selbst, welches unsere vorjährige Messung unzuverlässig machte, wurde nun gänzlich vermieden. Die Unterlage auf der die Messung bewerkstelligt wurde, ward immer auf eine ziemliche Strecke zum voraus gemacht, und die einmahl genau abgelegte Messstange erst auf derselben vermittelst einer Schraube befestigt, ehe die 2. Stange wiederum an dieselbe angelegt und so mit der Messung fortgefahren wurde.

Die entdeckte Unzuverlässigkeit der vorjährigen Messung bewog uns eine neue, etwas vorteilhafter liegende aber auch etwas kürzere Standlinie, ebenfalls im Hard auszuwehlen, die in der Direction der NO. Ecke der Fraumünster-Zehendscheuer mit dem Weininger Kirchthurm liegt und circa 11000 Fuss unter ersterm Standpunkt in den Altstädter Wiesen anfing und gegen das Sihlfeld gemessen wurde.

Nachdem wir ungefehr 4000 Fuss an dieser Basis gemessen hatten, wurden wir im Sihlfeld durch die Ansaat der meisten Felder, die in unserer Direction lagen, an der Fortsetzung unserer Arbeit gehindert; wir entschlossen uns also unsere Messmethode zu verificiren und die gemessene Portion wieder zurückzumessen.

Nach gemachter Reduction einiger, der Lage des Terrains wegen inclinirter Messstangen fanden wir die erste Messung 4010',298, das Ruckmessen aber 4010',441, also die letzte Messung 0',143 grösser als die erste. Diese äusserst geringe Differenz von nicht völlig 1½ decimal-Zohl machte allen Mitarbeitern neuen Muth zu dieser mühsamen aber so unent-behrlichen Arbeit, nur Schade dass die beständige Ansaat dess Sihlfeldes. die Fortsetzung bis jetzt immer noch aufhielt." —

Die Fortsetzung der Messung verschob sich verschiedener Umstände wegen sogar bis 1797, und die Relation über dieselbe, wenn man von einer ganz kurzen Protokoll-Notiz aus dem betreffenden Jahre absieht, sogar bis 1817, da vor Erstattung des Jahresberichtes für 1797/8 die Revolution eintrat, welche eine längere Sistirung der Gesellschaft veranlasste (4).

In besagtem Jahre 1817 gab nämlich Feer einen eingehenden Bericht über die ganze Messung, dem wir jedoch, nach dem schon Mitgetheilten, für die 1794 IV 9—11 gemachte Operation nur noch entnehmen wollen, dass dieselbe, unter theilweiser Assistenz von Finsler und Breitinger, zunächst von Feer und Escher durchgeführt wurde.

Für den Schluss der Arbeit, welcher 1797 III 13—16 vor sich ging, erfahren wir dagegen aus dem über den Bericht aufgenommenen Protokoll (5) Folgendes:
„Die Messung nahm da ihren Anfang, wo sie am 11. April 1794 hatte aufhören müssen, und wo die daselbst angebrachten Erkennungszeichen unversehrt vorgefunden wurden. Sie ging sodann bis zur Fraumünsteramts - Zehendscheuer im Kreuel hinauf. Junker Joh. Meiss (6) und Herr Horner (7) wohnten, nebst den bey der letzten Arbeit gegenwärtig gewesenen Kerfen, dieser Messung bey.

Auch diessmal ward zur Probe wieder zurückgemessen, und bestand der Unterschied bloss in 1',581 auf eine Länge von 6420' (8) . Wenn nun, um das untere Ende der Standlinie auf Stadtgut fixiren zu können, ein Zusatz von 321',35 nach unten, der schon 1794 angefügt wurde, zugeschlagen wird, so beträgt die ganze Länge nach vorhergegangener Theilung der Differenz beim Rückmessen und Reduction geneigter Messstangen auf den Horizont 10431,62 Franz. Schuhe. (9)

Die beiden Endpunkte wurden mit soliden Grenzsteinen bezeichnet, welche auf eigenen Fundamenten ruhen, und wovon jeder eine Zinnplatte mit erläuternder Inschrift enthält. Ueber die Authenticität des gebrauchten Maasses gibt der Vortragende die genügendsten Aufschlüsse" (10). —

Feer hatte schon unmittelbar nach der Basismessung (11), und dann wieder nach s. Rückkehr aus Deutschland, ein Dreiecksnetz an diese Basis gelehnt, und 1817 wurden sodann auf Antrag von Finsler zwei jüngere Mitglieder „Herr Ingenieurhauptmann
Pestalutz
(12) und Herr Ingenieurlieutenant Nüscheler (13)" beauftragt, mit Feer einen Plan zur Fortsetzung der Triangulation und zu ihrer Verwerthung für eine neue Kantonskarte zu entwerfen und vorzulegen.
Pestalozzi rapportirte 1817 VIII 29, und wir entnehmen dem Protokoll über s. Bericht Folgendes:

„Gegenwärtig sind neun Hauptpunkte im Canton trigonometrisch bestimmt, nämlich: Ütliberg, Lägerberg, Schauenberg, Hohe Rhone, Schnabelberg, Hörnli, Kyburg, Brütten und Sternwarte. Von diesen Punkten sind aber auf dem Schauenberg, Hörnli, Hohen Rhonen und Schnabelberg die Signale nicht mehr vorhanden; desswegen die erste Operation darin bestehen muss, die Standpunkte dieser Signale wieder aufzusuchen und durch bestimmte Zeichen oder Abstände von festen Punkten sicher zu fixiren, womit dann die Recognoscirung der von da aus zu bestimmenden Punkte der ersten und zweiten Triangulation verbunden werden kann.

Ferner kann dann der Entwurf zur zweiten Triangulation theils aus der Karte, theils nach den vorläufigen Recognoscirungen der verschiedenen Berg- und Hügelketten und Thäler unsers Kantons bestimmt werden. Zur Aufnahme der zweiten Triangulation ist aber ein genauerer achtzölliger Theodolit, welcher zum Multipliciren der Winkel und zur Messung von Polhöhen eingerichtet ist, sehr wünschbar, ein Instrument, welches wahrscheinlich die Kosten von 45 bis 50 Louisd'ors nicht übersteigen dürfte.

Nach Anschaffung eines solchen Instrumentes könnte dann im künftigen Frühjahr die zweite Triangulation angefangen, und vielleicht zugleich die Reduction des nähern Details aus geometrischen Plänen nach einem festgesetzten Maassstab zur Ausfüllung des Netzes der zweiten oder dritten Triangulation damit verbunden werden."

Die Gesellschaft war durch diesen Rapport befriedigt, und beschloss auf Antrag von Finsler die Herren Pestalutz und Nüscheler, unter Oberaufsicht von Feer, zur Anhandnahme der Arbeiten zu bevollmächtigen, und gleichzeitig theils die Unterstützung der Regierung, theils die Mithülfe der naturforschenden Gesellschaft für Anschaffung des nöthigen Theodoliten durch besondere Zuschriften nachzusuchen.

Aber schliesslich verlief die Sache, etwa mit Ausnahme der aus jener Zeit datirenden Anschaffung des noch bei neuesten Triangulations-Arbeiten verwendeten Reichenbach'schen Theodoliten durch den Staat, dennoch in den Sand,
— muthmasslich zunächst weil, wie wir später hören werden (14), Pestalozzi alsbald für die eidgenössischen Messungen engagirt wurde.