Kapitel XIII. Die kantonalen Vermessungen.

 

114. Die Rösch, Merz und Berchtold.

Ausser den Neuenburg, Bern und Basel betreffenden Arbeiten, welche mehr oder weniger officieller Natur waren und in einem gewissen Zusammenhange mit den franz. Messungen standen, bleiben noch einige verwandte und ebenfalls verdienstliche Leistungen mehr privater Natur zu verzeichnen, welche
Magister Rösch für Bündten,
Oberst Merz für Appenzell und
Chorherrn Berchtold für Wallis zu verdanken sind. —

Joh. Georg Rösch wurde 1779 zu Notzingen bei Kirchheim in Württemberg geboren, wo s. Vater als Schullehrer stand,
— lief in üblicher Weise durch die beiden Klosterschulen und das Stift in Tübingen,
— kam 1801 als Hauslehrer zu dem bekannten Naturforscher Carl Ulysses von Salis-Marschlins (1), wo er den jetzt noch in Marschlins lebenden Hauptmann Ulysses Adalbert von Salis und dessen Schwester erziehen sollte, aber mehr wissenschaftlichen Liebhabereien nachhing,
— wurde 1806 Präceptor in Schorndorf,
— bekleidete später mehrere Pfarreien in Würtemberg,
— und starb 1845 als Pfarrer zu Wangen bei Stuttgart (2).

Aus der Abhandlung „Trigonometrische Aufnahme des Thales von St Luziensteig bis Chur im Frühjahr 1806", welche Rösch 1809 in den 4. Band der von Salis und Steinmüller herausgegebenen „Alpina" einrücken liess, erfährt man, dass er 1805 den Vorsatz fasste nach und nach die verschiedenen Gegenden Bündtens trigonometrisch aufzunehmen, aber wegen seiner, durch Rückberufung in die Heimat, schon im Sommer 1806 erfolgten Abreise sich auf die Eine, im Titel erwähnte Parthie beschränken musste, von welcher er ein durch Scheuermann gestochenes Kärtchen in 1/96’000 gab, das die Terrainverhältnisse ganz artig darstellt:

Rösch hatte sich auf einem der vier Thürme des Schlosses Marschlins mit Hülfe von Salis, der überhaupt s. Arbeiten begünstigte, ihm auch unter Anderm einen vierzölligen Spiegelsextanten von Baumann in Stuttgart mit Glashorizont, und einen sog. „Vice-Chronometer" von Buzengeiger verschafft hatte, ein kleines Observatorium eingerichtet, für dessen Polhöhe er aus Sonnenhöhen 46° 57' 26—29", und für dessen Länge er aus Monddistanzen 27° 12' 25" fand, während dreijährige Barometerbeobachtungen die Meereshöhe 1712' Par. ergaben.

Im Juli 1805 maass er sodann mit Hülfe von Rudolf Am Stein (3) zwischen Igis und der obern Zollbrücke längs dem Rheine eine Basis von 5342' Par., welche mit der Spitze des nordwestlichen Thurmes von Marschlins s. Fundamentaldreieck bildete, und, mit der Mittagslinie einen Winkel von 23° 14' 19" einschliessend, nahe von SSO nach NNW lief.

Für die Basismessung wurden zwei Stangen von Lerchenholz von 10' Länge angewandt, welche auf Tischchen mit verschiebbarer Platte gelegt, mit einer Setzwage ins Niveau gebracht, und mittelst der an beiden Enden angebrachten eisernen Stiften alignirt wurden. Im Frühjahr 1806 maass Rösch sodann noch von den drei Ecken s. Dreiecks Winkel nach den umliegenden Bergen, welche er, da die dritten Winkel meistens nicht unmittelbar gemessen werden konnten, durch Horizontalabschlüsse controlirte.

Es geht aus dem Ganzen hervor, dass Rösch die sich gestellte Aufgabe mit Sachkenntniss und Sorgfalt an die Hand nahm, so dass es nur zu bedauern ist, dass die Umstände verhinderten dieselbe voll zu lösen, und Am Stein nach dem Abgange des Meisters entweder nicht den Muth oder nicht die Zeit hatte in den Riss zu stehen.

Immerhin bereiste Letzterer, die betreffenden Blätter des Meyer'schen Atlasses in der Hand, so ziemlich den ganzen Kanton, — suchte dieselben durch an Ort und Stelle gemachte Zeichnungen und Abschätzungen zu verbesssern, — und gab hierauf gestützt das im Helvetischen Almanach unter dem Titel

„Der Canton Graubündten nach dem Meyer'schen Schweizer Atlas verbessert und in neun Bezirke eingetheilt. — R. am Stein delin. — Scheurman sculp. 1806" erschienene Kärtchen heraus, das noch 1821 eine neue Auflage erhielt (4). —

 

Zu Herisau im Jahre 1772 geboren, trat Johann Ludwig Merz schon 1790 in sardinische Kriegsdienste, und avancirte bis 1797, wo das Schweizerregiment Schmid abgedankt wurde, bis zum Hauptmann mit Majorsrang. Nach Hause zurückgekehrt übernahm er ein Handelsgeschäft, wurde aber in den Jahren 1799 bis 1815 auch in s. Heimatskanton vielfach als Militär verwendet, machte mehrere Ausmärsche als Freiwilliger mit, und stieg zum Oberst auf.

Als Pestalozzi 1811—14 im Appenzellerland trigonometrische und einzelne topographische Messungen ausführte (5), machte Merz sich unter s. Leitung mit topographischen Arbeiten bekannt, und brachte sodann in den Jahren 1819—31 die Aufnahme des Kantons in 1/25’000 grösstentheils zu Stande, obschon er nur die karge Musse darauf wenden konnte, welche ihm s. Berufsthätigkeit übrig liess.
Die, als für ihn zu mühsam, noch fehlenden Voralpen und Gebirge bewältigte s. Sohn Ludwig in den Jahren 1840—47, so dass der Vater noch vor seinem 1850 erfolgten Tode die Freude hatte das Werk voll ausgeführt zu sehen.

Die ganze Arbeit war so tüchtig, dass Eschmann nur noch eine Reihe von Höhenquoten zu bestimmen brauchte, um dieselbe in s. Karte vom Kanton St. Gallen aufnehmen zu können (6), und so ging sie nachher auch in den Dufour-Atlas über.
Sie wurde übrigens schon früher theilweise benutzt, wie die
„Charte der Vogteyen und Pfarreyen, in welche im 14. Jahrhun-dert der jetzige Kanton Appenzell eingetheilt war. — Geometrisch aufgenommen von Oberst Merz. — Lith. von C. Studer in Winterthur" zeigt, welche Joh. Caspar Zellweger dem 1830 herausgegebenen ersten Bande seiner „Geschichte des Appenzellischen Volkes" beilegte (7).

Neben dieser Aufnahme verdankt man Vater Merz auch ein 1833 aufgenommenes Panorama von dem Aussichtspunkte „Lutzenland" bei Herisau (8), sowie eine werthvolle Serie meteorologischer Beobachtungen (9). —

 

Zu Mörel ob Brig im Jahre 1780 geboren, und 1859 als Domherr und deutscher Prediger an der Cathedrale in Sitten verstorben, wurde Joseph Anton Berchtold in grössern Kreisen namentlich durch s. Schrift
„Das Maassensystem der Natur. Sitten 1846 in 8" bekannt (10), in welcher er als Maasseinheit die Länge eines Pendels vorschlug, das zu einer Doppelschwingung einen Tag brauche, und zugleich zu der Länge des Erdmeridians in einem einfachen Verhältnisse stehe; er fand ein solches in der Nähe des 31. Breitengrades, wo das Tagespendel sich zum Meridian wie 100000 zu 540 verhalte,
— leitete daraus, den Tag in 10 Stunden zu 100 Minuten à 100 Sekunden theilend, in der auf 0,740740 m. kommenden Länge des Sekundenpendels eine bequeme und manche einfache Verhältnisse darbietende Längeneinheit, den Schritt, ab, —
und bewies überhaupt in Durchführung s. Idee vielen Scharfsinn (11).

Immerhin liegt jedoch das Hauptverdienst von Berchtold in den Ortsbestimmungen und Vermessungen welche er, voraus in den Jahren 1831—37, im Wallis ausführte. Schon bei der Versammlung der Schweiz. naturf. Gesellschaft in Genf im Jahre 1832 machte er eine betreffende Vorlage, und die Acten dieser Versammlung berichten:

„MM. Horner et Gautier font un rapport sur les travaux trigonométriques essayés en Valais par M. le curé Berchtold :
ces travaux sont dignes de toute l'approbation de la Société, et demandent à être encourages; en conséquence MM. Horner et Gautier proposent que l'on désigne quelques membres pour entrer en correspondance avec M. Berchtold sur l'objet de ses recherches. Cette proposition étant adoptée, M. le President De Candolle désigne à cet effet MM. Horner, Gautier et Adrien Scherer
(12) ; il invite en outre la Commission sur les cartes de la Suisse (13) à entrer en relation avec M. Berchtold."

Ueber Natur und Belang der eigentlichen Arbeiten dieses Letztern erfährt man Genaueres aus einem Briefe, welchen Gautier hierauf 1832 X 8 an Trechsel schrieb, der bei der Versammlung in Genf nicht anwesend gewesen war, indem er mit Bezugnahme auf den eben erwähnten Rapport schrieb:

„Je vous en dirai quelques mots par écrit en sollicitant pour M. Berchtold votre bienveillant intérêt. Il le mérite très particulièrement ce me semble et a droit à tous nos encouragemens pour avoir entrepris seul et à ses fraix, malgré ses occupations d'un tout autre genre, puis-qu'il est curé de la cathédrale de Sion, un travail important et tout nouveau à ce que je crois, celui de la triangulation du Valais (14).

Il a envoyé au Président de la Société, M. De Candolle, le Mss de ses opérations, sur lequel nous avons été chargés Mr Horner et moi de faire un rapport verbal à l'une de nos séances. N'ayant pas encore acquis beaucoup de facilité à lire l'écriture allemande et ayant manqué de temps pour faire une analyse complète de ce travail, je ne puis vous en donner qu'une idée bien imparfaite, mais il m'a semblé qu'il était fait avec soin et qu'il donnait de bonnes espérances.

Son instrument est un théodolite de Kern d'Arau, dont le cercle azimuthal a 10 pouces français de diamètre et le cercle vertical 9 pouces; la lunette a 18 lignes d'ouverture (15). M. Berchtold a mesure avec cet instrument un certain nombre de hauteurs circumméridiennes de l'étoile polaire et d'autres étoiles boréales et australes à Sion, et en a conclu 46° 13' 48",5 pour la latitude de la cathédrale.

Il a trouvé par plus d'un millier de mesures barométriques comparatives avec Genève la hauteur de la place de la cathédrale de Sion au-dessus de la mer de 527,7m soit 1624,5'. Il a mesure pour sa triangulation une petite base de 2096m près de Sion. La triangulation n'est pas encore, je crois, très étendue et ne s'élève pas jusqu'aux plus hautes sommités du Valais. Elle embrasse spécialement la plaine du haut et bas Valais et les montagnes du second ordre (16). Il l'a orientée en déterminant la direction méridienne à Sion et l'azimuth d'un de ses cotes. Mais il lui manque encore une détermination de longitude.

Il a fait pour cet effet quelques observations d'occultations d'étoiles, ainsi qu'un assez grand nombre de passages au méridien de la Lune et d'étoiles voisines. Mais il désirerait aussi une détermination géodésique par la liaison trigonométrique de l'une de ses stations à quelqu'une de celles de la triangulation fédérale, et c'est sous ce rapport principalement que vous pourriez peut-être lui être utile, en lui fournissant les indications et les moyens d'exécuter cette liaison (17).

J'ai rencontre il y a environ un mois au Signal de Bougy au dessus d'Aubonne un Ingénieur qui triangulait pour la Confédération avec un théodolite répétiteur de 10" de Munich et s'occupait à déterminer les angles d'un triangle dont les sommets sont le Signal de Bougy, la tour de Gourze au dessus de Lutry et la pointe de Chaumenet en Valais au dessus du Bouveret au fond du lac (18). Il m'a dit qu'il serait probablement chargé de continuer ces opérations dans le Valais, et il supposait que la Dent de Morcles serait une de ses stations.

Cela conviendrait fort bien à M. Berchtold, qui pourrait ainsi rattacher sa triangulation à celle de l'Etat major fédéral; et cela conviendrait fort bien aussi, ce me semble, à la Confédération en lui fournissant un travail tout fait qui pourrait abréger le sien et en diminuer les fraix. Tout ce que demande M. Berchtold est qu'on veuille bien lui faciliter l'achèvement de son entreprise, faite uniquement dans un intérêt patriotique et scientifique."

Die Eidgenossenschaft scheint dann wirklich ihren Vortheil eingesehen, und Berchtold in der gewünschten Weise unterstützt zu haben (19); denn er konnte nicht nur im Laufe der Jahre s. Netz vollenden, sondern es wurde dasselbe im Westen und Osten (20) an das eidgen. Netz angeschlossen, ja als Bestandteil desselben aufgenommen und benutzt.

Das Verdienst, das er sich auf diese Weise erwarb, ist kein geringes, und darf ihn über manche Beschwerden und Unannehmlichkeiten (21), welche ihm s. Arbeit veranlassten, getröstet haben.

Zum Schlusse mag noch bemerkt werden, dass uns z.B. die
„Karte über einen Theil der südlichen Walliserthäler, frei gezeichnet nach topographischen Skizzen mit Benutzung des Blattes XVII der eidg. Karte und des trig. Netzes des Herrn Berchtold von Gottlieb Studer (22) 1849. Herausgegeben 1850. — Top. Anstalt von J. Wurster und Comp. in Winterthur",
ein hübsches Blatt von 66 auf 50 cm., welches die Thäler von Saas bis Evolena in 1/100’000 darstellt, zeigt, dass die Arbeiten Berchtold's auch sonst noch Verwendung fanden.