Kapitel XIV. Die Reisekarten und die neuern Panoramen.

 

117. Keller's Karten.

Nachdem sich Heinrich Keller schon 1799 mit Glück an einer für den „Neu-Helvetischen Almanach" auf 1800 bestimmten kleinen Karte, einem „Grundriss der Stadt Zürich und der umliegenden Gegend" auf einem Blatt von 25 auf 20 cm. versucht hatte (1), machte er sich an die grosse Aufgabe eine Karte von der ganzen Schweiz zu erstellen, welche allen billigen Forderungen eines Reisenden gerecht werden, und in wünschbarer Weise die von Ebel in so vorzüglicher Art verfasste „Anleitung die Schweiz zu bereisen" ergänzen könne (2).

Auf Grundlage der besten vorhandenen Karten, voraus des Meyer'schen Atlasses, — einiger Aufnahmen, welche er durch Ingenieur Frey (3) da und dort, namentlich aber im Berner-Oberlande, auf eigene Kosten machen liess, — und der auf seinen vielen Reisen selbst gesammelten Notizen und Skizzen, gelang es Keller wirklich mit Hülfe des ganz in s. Intentionen eingehenden Kupferstechers Scheurmann (4) bis 1813 jene Aufgabe in befriedigendster Weise zu lösen.

Nicht dass seine Karte, welcher er den anspruchslosen Titel „Reisekarte der Schweiz" gab, sich durch grosse Genauigkeit (5) oder durch eine das Auge bestechende Schönheit der Ausführung irgendwie ausgezeichnet hätte; was sie von den frühern Karten unterschied, und ihr einen alle Erwartungen Keller's übersteigenden Erfolg verschaffte, war einzig und allein, dass es seinem feinen Takte gelang, den eigentlichen Detail so zu sichten und, unter Benutzung geschickt gewählter conventioneller Zeichen (6), so anzuordnen, dass einerseits nichts Wesentliches fehlte und nichts Ueberflüssiges den Raum beengte, und anderseits s. Karte eine so grosse, man darf fast sagen unübertreffliche, Klarheit und Lesbarkeit erhielt, dass man sich mit grösster Leichtigkeit auf derselben zurecht fand, — ja sie noch jetzt, um sich rasch zu orientiren, jeder andern Schweizerkarte vorzieht. —

Wie schon angedeutet, war der Erfolg, den Keller mit s. Karte erzielte, ein sehr erfreulicher: Nicht nur traf es sich, dass bald nach Erscheinen derselben der Durchzug der Schwarzenberg'schen Armee statt hatte und ihm eine Abnahme von 300 Exemplaren einbrachte (7), sondern sie fand auch sofort bei Einheimischen und Durchreisenden den besten Eingang, und der Absatz blieb so nachhaltig, dass, trotz der alsbald im In- und Auslande durch Nachstiche und Nachahmungen entstehenden Concurrenz, immer wieder neue Abzüge nöthig wurden, in welchen der Käufer aber auch immer wieder neue Berichtigungen und Ergänzungen fand.

Ueberhaupt liess sich Keller durch das Gelingen nicht einschläfern, sondern arbeitete beständig daran s. Karte zu verbessern, und eine total neue, sogar einen etwas andern Maassstab besitzende Auflage vorzubereiten, welche dann wirklich 1833, wieder von Scheurmann gestochen, unter dem Titel „Keller's zweite Reisekarte der Schweiz" erschien, und theils eine, namentlich im südöstlichen Viertel, wesentlich verbesserte Anlage (8), theils in vielem Detail bedeutende, und in den später, erst noch durch ihn, dann durch seinen wackern Sohn und Nachfolger (9), besorgten Ausgaben ebenfalls immer wieder fortgesetzte Berichtigungen und Ergänzungen zeigt.

Es würde mich jedoch zu weit führen auch noch über die Erfolge dieser zweiten Karte, sowie über diejenigen von Keller's entsprechenden Wand- und Schulkarten, etc. näher einzutreten; dagegen kann ich mir nicht versagen noch das ehrenvolle Urtheil anzuführen, das
Henri de Saussure (10) über Keller und s. Karten in den Worten fällte:
„Ses cartes ont été a peu près les seules employées dans ce pays pendant un demi-siècle, et c'est avec justice qu'on le considère comme l'homme qui a le plus contribué en Suisse au développement de la science géographique. Il acquit rapidement une célébrité européenne, et dans sa modeste chambre de travail il recevait les visites des savants de passage à Zürich." —

Zum Schlusse habe ich noch Keller's Kantonskarte mit einigen Worten zu gedenken (11):
Schon für den helvetischen Almanach von 1814 hatte Keller, da die für den Almanach von 1803 nach Zeichnung von Körner durch Senn gestochene Karte absolut nicht befriedigt hatte, unter Grundlage von „16 Ortsbestimmungen der Herren Fehr und Wyss“ (12) eine kleine neue Karte vom Kanton Zürich bearbeitet, und sich dabei für den Detail zunächst an die Karte von Usteri gehalten (13).

Nach Vollendung der Reisekarte stellte er sich sodann die Aufgabe auch eine grössere Kantonskarte zu entwerfen, und so entstand die 1828 unter dem Titel
„Keller's Karte des Kantons Zürich, mit vorzüglicher Hinsicht auf Strassen und Wege und die wichtigern Ortsgebäude“ ausgegebene, ebenfalls von J. J. Scheurmann gestochene Karte, welche schon nach ihrer Anlage kleine Fortschritte gegen diejenigen von Gyger und Usteri zeigt (14), sich aber namentlich entsprechend der Schweizerkarte durch Klarheit und Lesbarkeit auszeichnet. Auch sie wurde so beifällig aufgenommen, dass später eine neue Auflage nöthig schien, welche sodann noch manche Verbesserungen und Nachträge erhielt.