Kapitel XIV. Die Reisekarten und die neuern Panoramen.

 

118. Einige andere Karten.

Nach Besprechung der Keller'schen mögen noch einige Worte über andere, im Laufe des gegenwärtigen Jahrhunderts erschienene Karten, die bis jetzt nicht erwähnt worden sind (1) oder noch an anderer Stelle ohnehin zu erwähnen sein werden (2), Platz finden, ohne dass ich hiebei im Mindesten auf Vollständigkeit Anspruch mache:

 

Ich beginne mit der von Bader d'Albe (3) nach dem ersten italienischen Kriege im Auftrage von Napoleon angefertigten, aus 30 Blättern von 65 auf 51 cm. bestehenden, in den Jahren 1798—1801 ausgegebenen „Carte générale du théâtre de la guerre républicaine en Italie et dans les Alpes", welche in Beziehung auf Ausführung und Terraindarstellung entschieden zu den besten Erzeugnissen ihrer Zeit gehört (4).

Die Schweiz fällt fast ganz auf die Blätter 2, 6 und 7, von welchen ich 2 nicht gesehen habe während mir dagegen die Prüfung von 6 und 7 ergab, dass die Anlage des erstem dieser Blätter als etwas schlechter, die des zweiten dagegen als bedeutend besser als die Meyer'sche Karte zu bezeichnen sei (5). Im Uebrigen füge ich aus der weitläufigen Besprechung durch Finsler (6) folgende Stelle bei:

„Der Werth der drei Hauptblätter ist sehr ungleich. Nr. 2 ist vielleicht das geringste unter allen 30 Blättern. Nr. 6 ist besser, und Nr. 7 ist besonders in Rücksicht auf die italienische Schweiz und einige Theile des Hochgebirges das beste, was noch über diese Gegenden erschienen ist.
In dem nördlichen Theile des Cantons Waldstätten bis über Altorf hinauf in den Cantonen Luzern und Oberland ist der Verfasser, so zu sagen, Schritt für Schritt den Weiss-Mey er'sehen Blättern gefolgt, und hat sich die Vorzüge und Fehler derselben zugeeignet, und noch ein paar neue Fehler hinzugesetzt.
In Bündten, den Italienischen Cantonen, den Distrikten An der Matt und Altorf hingegen, wo er keinen für classisch gehaltenen Vorgänger hatte, wo vermuthlich die meisten Zeichnungen Früchte von Localbesichtigungen Fränkischer Officiere, und vielleicht von militärischen Aufnahmen waren, ist die Darstellung weit genauer und freyer von Irrthümern." —

 

Die von Wörl (7) bearbeitete „Karte der Schweiz mit angrenzenden Ländertheilen in 20 Blättern" wurde bei Ausgabe der ersten zwei Blätter im Jahre 1835 von der Herder'schen Verlagshandlung in Freiburg mit den allerdings etwas pompösen Worten angekündigt:

„Mehr als 12 Jahre ist an dieser Karte gearbeitet worden. Den Plan dazu legte der durch seine Vermessungen in der Schweiz berühmte französische Oberst Weiss (8). Aber das kaum begonnene Werk ward durch seinen Tod unterbrochen.
Die Wichtigkeit desselben anerkennend, hat die Verlagshandlung das Unternehmen einem Manne übergeben, dessen Name in dem Gebiete der Geographie sich allgemeinen Ruf erworben hat, und dessen langjährige Studien sich vornehmlich auf das Alpenland bezogen.

So ist die angekündigte Karte entstanden, die in ihrer Vereinigung alles dessen, was bis auf diesen Tag über die Schweiz erschienen, einem laut gefühlten Mangel steuern, die auch in der Trefflichkeit der Ausführung und Schönheit des Stiches ein Muster seyn soll. Die Zeichnungen liegen alle vor, und der Stich ist soweit vorangeschritten, dass man jeden Monat eine Lieferung von zwei Blättern versprechen darf."

Wie dem übrigens auch sei, so ist nicht nur anzuerkennen, dass die Blätter, deren jedes 42 auf 36 cm. hält (9), sich in versprochener Weise rasch folgten, sondern wirklich in Folge der auf Zeichnung und Ausführung in Lithographie verwandten Sorgfalt, für die Zeit ihres Erscheinens allen billigen Anforderungen genügten.

In Beziehung auf die allgemeine Anlage gehört sogar diese Karte entschieden zu den genauesten, welche vor Publication der Dufour-Karte und ohne Benutzung der für diese gesammelten Grundlagen erschienen (10), und wenn auch einzelne Detailangaben unrichtig sein mögen, oder die Karte in den stark bewohnten Gegenden etwas mit Namen überladen scheint, so ist sie doch im grossen Ganzen als treu und lesbar zu bezeichnen, und hat gegenüber den meisten übrigen Schweizerkarten den Vorzug, dass sie nach allen vier Seiten weit über die Schweiz hinausgreift, indem sie nördlich bis Villingen, westlich bis Salins, südlich bis Mailand und östlich bis Meran geht.

Der Umstand endlich, dass Wörl über das von Weiss an Ort und Stelle, theils während s. Anstellung bei Meyer, theils als Gehülfe von Henry und Delcros, gesammelte Material verfügte, reiht s. Karte wenigstens theilweise den Originalkarten an, und verschaffte ihr darum hier eine etwas eingehendere Anzeige. —

 

Neben vielen andern, und zum Theil sehr ausgedehnten mathematischen, geographischen und kartographischen Arbeiten, auf welche hier nicht eingetreten werden kann, verdankt man Joh. Melchior Ziegler (11), einem Lieblingsschüler Ritter's, auch eine Schweizerkarte, die 1850 unter dem anspruchlosen Titel „Karte der Schweiz von J. M. Ziegler" erschien, und dieses Erscheinen in den beigegebenen Erläuterungen mit den Worten:

„Schon seit manchem Jahr wurden von dem Bearbeiter der vorliegenden Schweizerkarte Materialien gesammelt, die Vollendung derselben zwar in weite Ferne gerückt, bis Gelegenheit die Ausführung beförderte, dass dieselbe zu der von unsern Geognosten, den Professoren Studer und Escher v. d. L. binnen Jahresfrist erscheinenden Geognosie der Schweiz benutzt werden sollte", (12)
fast noch entschuldigt. Die sehr bemerkenswerthe Karte hat auf einem Blatte von 100 auf 70 cm. einen, namentlich nach Süden, bedeutend weiter ausgedehnten Rahmen als die Keller'sche, wenn auch nicht einen so grossen als diejenige von Wörl, — ferner eine viel sorgfältiger ausgeführte Terrainzeichnung als diese beiden Karten, so dass man sie ihnen als Bild des Landes weit vorziehen muss, während sie dagegen lange nicht so lesbar als die erstgenannte, und somit für den Touristen viel weniger brauchbar ist.

In Beziehung auf Anlage und Detail standen Ziegler bereits viel bessere Materialien als Keller zu Gebote, und es ist daher begreiflich, dass s. Karte sich in beiden Beziehungen richtiger als diejenige von Keller erzeigt, und in Letzterer dürfte sie auch derjenigen von Wörl vorzuziehen sein, während die Anlage allerdings nur wenig besser ist (13).

Der Verdienste von Ziegler um die St. Galler-Karte wird später gedacht werden (14); dagegen mögen hier noch die beiden von ihm auf Grundlage der eidg. Aufnahmen in 1/50'000 bearbeiteten, sich durch vorzügliche Gebirgszeichnung und wohl gelungenen Farbendruck auszeichnenden Karten von Glarus und dem Engadin, letztere in 7 Blättern, erwähnt werden.

Endlich darf nicht vergessen werden anzuführen, dass diese und zahllose andere Karten in der topographischen Anstalt ausgeführt wurden, welche Ziegler und Joh. Ulrich Wurster (15) in Winterthur gründeten, und die noch jetzt unter der Leitung von Johannes Randegger (16) florirt, der successive Zögling, Geschäftsführer und Leiter der Anstalt war, und nun, nach dem Austritte der Gründer (17), auch Eigenthümer derselben geworden ist. —

 

Als einer der tüchtigsten Zöglinge 'der topographischen Anstalt in Winterthur ist auch Rudolf Leuzinger zu nennen (18), dessen im Jahre 1850 bei H. Füssli in Zürich erschienene „Erstlingsarbeit", eine „Karte der centralen Schweiz. Gewidmet den HH. J. M. Ziegler in Winterthur und Landstatthalter Dr. Heer in Glarus von R. Leuzinger. Bearbeitet nach eidg. Vermessungen, Müller's Basrelief, etc.", ein bereits in Beziehung auf Bergzeichnung recht hübsch in Lithographie ausgeführtes Blatt von 29 auf 38½ cm. ist, dessen Anlage auch gar nicht übel ausfiel (19)

Von den vielen Arbeiten, die Leuzinger in Winterthur besorgte, mag beispielsweise s. Antheil an Ziegler's Karte von Glarus, für welche er mit U. Basler das Gebirge gestochen hat, erwähnt werden; seither hat er sich in Bern etablirt, und neben verschiedenen in eigenem Verlage ausgegebenen Karten, namentlich auch für die Ausgabe des eidg. Atlasses im Maassstabe der Originalaufnahmen gearbeitet (20). —

 

Diesen Hauptarbeiten füge ich noch einige Notizen über kleinere Arbeiten bei: Zunächst führe ich an, dass der unter der vorigen Nummer besprochene Kupferstecher
J. J. Scheurmann auch sonst noch, theils für den helvetischen Almanach, theils auf eigene Rechnung ziemlich viele Karten bearbeitete, — so z. B. eine Karte
„Die Cantone Schaffhausen und Thurgau", ein Blatt von 30 auf 20 cm., das ziemlich lesbar ist, und die Terrainverhältnisse nicht übel darstellt, dagegen in Beziehung auf den geometrischen Theil etwas flüchtig bearbeitet ist (21),
— ferner eine „Karte von dem Kanton Aargau, eingetheilt in 11 Bezirke und 48 Kreise. Nach dem Beschluss des Grossen Rathes in Aarau vom 30. Juni 1803", ein ganz ordentlich ausgeführtes Blatt von 50 auf 43 cm., dessen Anlage, für welche wahrscheinlich der Meyer'sche Atlass benutzt wurde, wenig zu wünschen übrig lässt (22), — etc. —

Ferner registrire ich folgende drei Karten der Gegend um den Vierwaldstättersee:
— „Plan des Waldstädter Kriegs im Jahre 1798. Gezeichnet und gravirt von J. Sam. Weibel (23) 1801", eine nach ihrer Ausführung mittelmässige und viele Schreibfehler zeigende Karte von 44 auf 29 cm., deren Anlage jedoch nicht schlecht ist (24),
— „Karte des Vierwaldstädter-Sees. — Dessiné par A. Schmid (25) . — Gravé par H. Scheuermann", eine ganz artige, wohl zunächst auf dem Meyer'schen Atlass beruhende Karte (26),
— und „Karte des Kantons Luzern mit dem angrenzenden Theil anderer Kantone. Herausgegeben von N. Rietschi (27) 1838", ein ganz hübsches und lesbares, doch nicht besonders gut angelegtes Blatt von 66 auf 49 cm. (28).

Mechanikus Johannes Zuber von Ebnat (29), auf dessen von 1821 — 51 reichender Beobachtungsreihe die 1855 von Denzler publicirte wichtige Abhandlung „Die untere Schneegränze während des Jahres vom Bodensee bis zur Säntisspitze" beruht, verdankt man, ausser einem Panorama vom Gäbris und einem Plane der Stadt St. Gallen, auch eine „Charte vom Kanton Appenzell aufgenohmen von J. Z. — J. L. Gsell sc.", ein Blatt von 30 auf 25 cm., das einen Versuch von Bergschraffur zeigt, und gar nicht übel angelegt ist (30). —

Die „Carte von Erguel. — Entworfen und gezeichnet von A. Stapfer, Aidemajor, — vervollständigt von V. E. Thellung von Courtlary, Hauptmann (31) , — radirt von Scheurmann", ist ein nicht übles Blatt von 54 auf 40 cm., dessen Anlage in Betracht des schwierigen Terrains als ganz ordentlich bezeichnet werden kann (32). —

Die „Carte des Kantons Bern mit den Strassen der vier Classen und Angabe der Distanzen nach der Vermessung der Bezirksingenieurs berechnet zu 16000 Schweizerfuss per Stunde; entworfen nach mehreren im Staatsarchiv vorhandenen trigonometrischen Aufnahmen und andern vorzüglichen Quellen von G. J. Durheim" ist eine Strassenkarte, welche keine weitern Ansprüche macht (33). —

Das Kartenverzeichniss von Oesfeld (34) führt an als von
„Jakob Baeyer" 1824 in 1/25’000 aufgenommen und metallographisch gezeichnet" :
Das Urbacher-Thal, — Die Quellen des Vorder-Rheins, — die Quellen der Orbe, — das Rhone-Thal bei St. Maurice.
Da es mich im höchsten Grade interessirte, dass der Altmeister der Geodäten auch in der Schweiz gearbeitet haben solle, so bat ich Herrn General Baeyer um nähern Aufschluss, welchen er mir 1878 XI 12 in folgenden Worten gab:
„Meine sog. Aufnahmen in der Schweiz vom Jahre 1824 sind nichts weiter als Reise- Croquis. Der damalige Major von Scharnhorst hatte den Auftrag die Schlachtfelder in der Schweiz zu bereisen und zu beschreiben.
Ich war Secondelieutenant, hatte mir am Rhein als Topograph ein gutes Renomme als Bergzeichner erworben, und war überdiess mit v. S. befreundet. Ich war daher ganz glücklich als er mir den Vorschlag machte, mit ihm gemeinschaftliche Sache zu machen und die erforderlichen Croquis zu übernehmen.
Ich brachte eine ganze Anzahl von Croquis merkwürdiger Terrainformen mit, die für Alle welche ein Hochgebirge nie gesehen hatten von einem solchen Interesse waren, dass sie mich ersuchten die wichtigsten mit Umdrucks-Dinte zu zeichnen.
In der lithographischen Anstalt wurden davon 50 Abdrücke gemacht, unter denen sich die Liebhaber auswählen konnten. Publicirt wurde nichts davon."