Kapitel XIX. Die Detail-Aufnahmen.

 

150. Die Aufnahmen im Thurgau und Aargau.

Die eidgen. Militäraufsichtsbehörde schrieb 1830 V 25 an den Stand Aargau :

„So wie in Fortsetzung der trigonometrischen Vermessungen der Schweiz, die Triangulirung der ersten und zweiten Klasse vorschreitet, muss es in den Wünschen der Militäraufsichtsbehörde liegen, dass auch zu den topographischen Vermessungen zur Aufnahme einer Eidgenössischen Militärkarte, da wo die ersten es zu thun gestatten, geschritten werden könne.
Da nun aber die ihr für diese gemeinnützigen Arbeiten zu Gebote stehenden Mittel bey der noch nicht über die ganze Schweiz vollendeten 1. und 2. Triangulation dieses nur in beschränktem Maasse zu thun erlauben, so muss sie sehr wünschen, dass zu mehrerer Verbreitung dieser topographischen Vermessungen, die unstreitig auch für die innere Verwaltung der Kantone selbsten sehr nützlich sind, auch die löbl. Stände Hand bieten möchten.
Auf sehr verdankenswerthe Weise ist dieses bereits von der höh. Regierung von Thurgau geschehen, indem dieselbe nach eigenem, an die diesseitige Behörde gestellten Anerbieten, die ganze topographische Aufnahme ihres Standes durch den eidgen. Herrn Ingenieurhauptmann Sulzberger nach diesseitiger Anleitung, gegen die Vergütung des dritten Theils der Unkosten, oder von Fr. 200 per Jahr, während 8 Jahren besorgen lassen wird. —
Da nun die Triangulirung zweiter Klasse im Kanton Aargau so weit vorgeschritten ist, dass mit Beruhigung zu der topographischen Arbeit der bereits trigonometrisch vermessenen Theile Ihres Kantons-Gebiets geschritten werden kann, so erlaubt sich die Militäraufsichtsbehörde auch bei Euer Hochwohlgeboren ehrerbietig anzufragen, ob sie zur Beförderung des in Frage liegenden gemeinnützigen Werks dem vom 1. Stand Thurgau gegebenen schönen Beispiel zu folgen, und auf eine gefällige Weise zur Vornahme der topographischen Aufnahme Ihres Standesgebiets Hand zu bieten geneigt wären, damit so ungesäumt diese Arbeiten auch im Kanton Aargau begonnen werden könnten ?" —

Der in diesem Schreiben erwähnte, zu Frauenfeld 1802 geborne Jakob Sulzberger hatte, nach Absolvirung der Lateinschule s. Vaterstadt, einen kurzen Aufenthalt in Zürich gemacht um sich in der Mathematik und den neuern Sprachen weiter auszubilden, und sich sodann praktischen, wenigstens anfänglich besonders topographischen, Arbeiten zugewandt.

Eine erste, wenn auch nicht sehr bedeutende Leistung, war eine „Charte des Municipal-Bezirkes Frauenfeld. Trigonometrisch aufgenommen und gezeichnet von J. Sulzberger, Oberl. im eidg. Ing. Corps 1825", welche J. Bergmann auf einem Blatt von 32 auf 24½ cm. nicht übel auf Stein gravirte. Schon damals scheint er an eine Aufnahme des ganzen Kantons gedacht zu haben, da ihm 1826 VIII 31 „durch Hrn. Ing. Oberstl. Pestaluz amtlich Namens der eidg. Militäraufsichtsbehörde" als Basis für s. Triangulation der log. Hörnli-Schauenberg = 3,7683603' mitgetheilt wurde (1); aber zur wirklichen Ausführung kam es erst einige Jahre später, nachdem er inzwischen von 1828—1830 Buchwalder einige Hülfe im Aufsuchen von Dreieckspunkten, Aufstellen von Signalen, etc. geleistet hatte (2):

„Herr Ingenieur Sulzberger hat", schrieb mir Herr Regierungsrath Braun in Frauenfeld,
„die topographische Aufnahme des Kantons Thurgau im Auftrage der herwärtigen Regierung 1830—1838 ausgeführt, und hatte derselbe für diese Arbeit, laut Vertrag vom 15. Dez. 1830 für den Kantonstheil westlich vom Meridian des Schlosses Bürglen fl. 70 per Quadratstunde und für den östlichen Theil fl. 75½ zu beanspruchen, nebst einer Gratifikation von 25 Louisd'or (Fr. 400) für eine Copie aller Aufnahmsblätter; die Kosten waren auf fl. 2321 veranschlagt.
Es ist hiebei zu berücksichtigen, dass Hr. Sulzberger bei Abschluss des Vertrages die Stelle eines thurgauischen Strasseninspectors bekleidete und hiefür eine fixe Besoldung bezog ; der Gr. Rath hob im Jahr 1832 jedoch diese Stelle auf, und als Entschädigung hiefür erhielt Hr. Sulzberger A. 1839 weitere 25 Louisd'or."

Auf Grund dieser Aufnahmen erschien sodann alsbald unter dem Titel
„Thurgau. Aufgenommen von Ingenieur-Hauptmann Sulzberger. — Gez. von J. Goll, Bressanini sculp. — Maassstab 1/80’000"
eine hübsch ausgeführte Karte, an der jedoch Zeichner und Stecher ein sehr bedeutendes Verdienst haben sollen (3). Während der Aufnahme der Karte beaufsichtigte Sulzberger, dessen Project als bestes ausgewählt worden war, von 1833—36 die Arbeiten für Tieferlegung des Lungernsee's in uneigennützigster Weise, so dass ihm der Gemeinderath von Lungern in s. Schlussberichte von 1841 den wärmsten Dank aussprach (4). Später beschäftigte er sich meist mit technischen Fragen, ganz besonders mit den Walzmühlen, und starb schon 1855 im besten Mannesalter. —

 

Nach dieser Abschweifung kehren wir zu dem Schreiben der Militär-Aufsichtsbehörde an den Stand Aargau zurück, auf welches der Aargauische Regierungsrath 1830 VI 17 antwortete : „Bey dem lebhaften Interesse, das wir immer an diesen Arbeiten genommen haben, machen wir uns zur angenehmen Pflicht Ihnen anmit unsere volle Bereitwilligkeit auszudrücken, zu dem beabsichtigten Zwecke mitzuwirken, und in gleichem Maasse wie andere Stände dazu beizutragen, dass derselbe bestmöglich erreicht werde", —
das von der aarg. Militärcommission befürwortete bestimmte Anerbieten „während 8 Jahren Fr. 600 jährlich als Zuschuss zu den Kosten der Aufnahme" beizutragen, hatte dagegen vor den Herren und Oberen nicht Gnade gefunden. Die bald darauf ausgebrochenen politischen Bewegungen bewirkten, dass weitere Unterhandlungen erst 1832 wieder aufgenommen wurden, dann aber 1836 doch so weit gediehen waren dass, nachdem sich frühere Unterhandlungen mit Buchwalder und Sulzberger zerschlagen hatten, die Uebernahme der topogr. Aufnahme des Kantons Aargau öffentlich ausgeschrieben wurde.

Im folgenden Jahre konnte aus einer ganz ansehnlichen Candidatenliste (5) eine Auswahl getroffen werden, welche auf den damals schon einige Zeit in Aarau wohnhaften und beliebten Hauptmann Michaelis fiel, zumal dieser sich anheischig machte
„junge Bürger des Landes bei dieser Gelegenheit so viel möglich für sein Fach heranzubilden (6), und auch eine Reihe von Höhenpunkten auszumitteln " (7), — und noch ein Jahr später wurde mit der Eidgenossenschaft ein förmlicher Vertrag abgeschlossen, durch welche sich Letztere verpflichtete Fr. 7000. an die Aufnahmskosten beizutragen. —

Zu Schöneberg in Westpreussen, wo s. Vater als Prediger lebte, im Jahre 1794 geboren, hatte Ernst Heinrich Michaelis 1813 gerade in Danzig s. Abiturientenexamen bestanden, als der Aufruf „An mein Volk" erlassen wurde, dem auch er folgte.
Nach beendigtem Kriege nahm er den Abschied, beschäftigte sich sodann vorzugsweise mit topographischen Arbeiten, setzte unter Anderm die Ammann-Bohnenberger'sche Karte von Schwaben fort, und hatte schon 1829 den Plan eine neue topographische Karte der Schweiz zu bearbeiten (8).
Wann er dann wirklich nach der Schweiz kam, und wann er sich in Aarau ansiedelte, habe ich nicht erfahren können; dagegen ist sicher, dass er die ihm anvertraute Aufgabe, den Aargau aufzunehmen, von 1837—1843 mit Umsicht und Eifer ausführte, — gestützt auf die Aufnahme, welche 18 Messtischblätter füllte, eine gute Zeichnung entwarf, in welcher das Terrain durch Schraffen dargestellt wurde, — und schliesslich den Stich in Paris persönlich überwachte.

Die wohl gelungene, in Folge der schönen Schrift trotz dem vielen Detail sehr leserliche, in 4 Blättern ausgegebene Karte führt den Titel
„Topographische Karte des eidg. Kantons Aargau, im Auftrage der Staatsbehörden nach dem Maassstabe von 1/25’000 in den Jahren 1837—1843 aufgenommen und 1844/5 in den Maassstab von 1/50'000 übertragen durch Ernst Heinrich Michaelis. Den Kupferstich besorgte 1845—1848 zu Paris Herr Th. Delsol, die Schrift Herr J. M. Hacq" , und überdiess liest man auf derselben:
„Als Grundlage für die trigonometrischen Arbeiten dieser Karte dienten die geodätischen Vorarbeiten des eidg. Generalstabes, soweit dieselben bis zum Jahre 1837 gediehen waren, indem danach mittelst eines 6zölligen Repetitions-Theodoliten von Ertel noch etwa 450 Punkte trigonometrisch bestimmt wurden. Die weitere Detailaufnahme wurde mittelst des Messtisches und der Stadia ausgeführt."

Leider wurde nicht vorgeschrieben equidistante Niveau-Curven aufzunehmen, sonst wäre diese Karte, welche, den Stich inbegriffen, auf 57248 Franken 85 Rappen zu stehen kam, noch werthvoller geworden. —

Während Michaelis noch mit dem Aargau beschäftigt war, erschienen zwei von ihm gezeichnete Kärtchen, zu welchen er wahrscheinlich schon früher das Material gesammelt hatte: Das eine, welches 1843 bei Simon Schropp in Berlin unter dem Titel
„Passage du Splügen et de la Via mala. — Gezeichnet von E. H. Michaelis. — Graviert von Müllhaupt 1846/7" erschien, hat zwar allerdings keine grosse Wichtigkeit; dagegen hat das andere, eine 20 auf 40cm. haltende
„Carte du Canton du Tessin et des Environs de Milan par E. H. Michaelis. — Ecrit par R. Bressanini. — Grave par H. Müllhaupt", obschon es etwas augenmörderisch ist, wirkliches Verdienst, da es grossentheils auf eigener Aufnahme mit Boussole und Stadia beruht, eine nicht übel gelungene Terrainzeichnung besitzt, und in der Anlage gegenüber frühem Karten einen merklichen Fortschritt zeigt (9).

Spätere Leistungen von Michaelis kenne ich dagegen nicht, und kann nur noch anführen, dass er längere Zeit zu Freiburg im Breisgau, sodann zu Berlin privatisirte, und 1873 in der Heilanstalt Schöneberg bei Berlin starb.