Kapitel XV. Die eidgenössische Triangulation.

 

126. Die Sternwarten von Feer und Scherer.

Als in Folge ehrenvoller Berufung Feer 1806, wie wir aus dem Frühern bereits wissen (1), nach Zürich zurückgekehrt und als Schanzenherr in die schöne Amtswohnung auf der Kronenpforte eingezogen war, erwachte sofort bei ihm die alte Liebhaberei für praktische Astronomie, und in einem bald darauf der Naturforschenden Gesellschaft gehaltenen Vortrage sagte er:
„Da die der Gesellschaft gehörige, seitdem Jahre 1798 nur selten oder nie gebrauchte Sternwarte auf dem Carolus-Thurm eine für eine Sternwarte nach der heutigen Einrichtung sehr ungeschickte Lage auf einem viele Treppen hohen Thurme, welcher wirklichen Schwankungen ausgesetzt ist, hat, so kam ich auf den Gedanken ob es nicht thunlich und möglich wäre in der Nähe von meiner Wohnung (2) ein ganz kleines Häuschen, und wenn es nur 10' ins Geviert wäre, auf einem soliden Unterschlag, aber nur aus Rigelwänden, auf den Fortificationen zu bauen, und dasjenige was brauchbar wäre von dem Carolus-Thurme dahin zu versetzen."

So bescheiden aber auch die Ansprüche von Feer waren, und so sehr er zu der Hoffnung berechtigt schien von Gesellschaft und Regierung unterstützt zu werden, so blieb damals die Sache doch hängen bis der von s. Reise um die Welt zurückgekehrte Freund Horner (3) sich mit ihm verband, und im Mai 1810 ein gemeinschaftliches Gesuch an die Regierung abging, welches wie folgt lautete:
„Die besondere Sorgfalt, welche Sie auf die Verbesserung jedes wissenschaftlichen Unterrichts wenden, und die in mehreren Fächern neu eingerichteten Lehranstalten sowohl als der Schutz und die Aufmunterung, welche Sie jedem Versuche nützliche Kenntnisse zu verbreiten, bisher geschenkt haben, flösst uns die Hoffnung ein, dass Sie es nicht ungütig aufnehmen werden, wenn wir Hochdieselben um einigen Beistand zur Ausübung einer Wissenschaft bitten, welche unstreitig zu den erhabensten, womit sich die Menschen beschäftigt haben, gehört, und welche ihren Verehrern die reinsten Genüsse darbietet.

Eigene, unwillkürliche Neigung, welche am Ende bei dem einen von uns zum wirklichen Berufe auf einer Reise um die Welt wurde, und bei dem andern als blosse Liebhaberei die Erheiterung mancher seiner Nebenstunden bewürkte, trieb uns von Jugend auf zum Studium der Astronomie. Unsere bisherigen Schicksale unterhielten die Liebe für diese Wissenschaft, und wir wünschten auch noch jetzt dafür thätig zu sein.

Das nöthigste von den Instrumenten besitzt theils die physicalische Gesellschaft, theils könnten wir selbst einigen Beitrag dazu liefern, um damit auszukommen. Allein ein schicklicher Platz um selbige aufzustellen und zu gebrauchen, geht uns dabei ab. Selbst die vorzügliche freie und hochgelegene Wohnung, deren sich Einer von uns durch deren Güte erfreut, lässt es wegen ihrer schiefen Lage gegen die Mittagslinie nicht zu, das besitzende Passage-Instrument, eines der wichtigsten in der heutigen Art zu beobachten, aufzustellen.

Aber in der Nähe der Kronenpforte wären mehrere Stellen auf der Fortification, wo ein sehr schicklicher Platz dazu wäre. Wir wagen demnach die gehorsamste Bitte an Sie die Erbauung eines auf unser kleines Bedürfniss eingeschränkten astronomischen Hüttchens nach beiliegender Zeichnung gnädig zu bewilligen. Ein mit Sorgfalt entworfener Bauanschlag zeigt, dass die Kosten etwa auf 500 Fr. sich belaufen
würden. —

Das Bedürfniss einer solchen Anstalt wird in dem gegenwärtigen Zeitpunkt desto fühlbarer, wo durch die unermüdliche Thätigkeit des helvetischen Herrn Oberst Quartiermeisters mehrere östliche Grenzcantone der Schweiz durch trigonometrische Messungen aufgenommen werden, an welchen Arbeiten auch wir Theil zu nehmen das Vergnügen hatten, und welche ohne astronomische Beobachtungen nicht zur gehörigen Genauigkeit gebracht werden können. Wir würden dadurch auch in den Stand gesetzt Liebhabern die nöthige Anleitung zu allen praktisch-astronomischen Beobachtungen zu geben, welche die Mathematik bedarf und nicht entbehren kann." —

Dieses Schreiben wirkte, — es konnte alsbald zur Ausführung des kleinen Baues geschritten werden, und schon am 23. October 1811 schrieb Feer an s. Freund Huber in Basel:
„Bei dieser Gelegenheit versäume ich nicht Ihnen anzuzeigen, dass die kleine Sternwarte, welche Sie im vorigen Sommer im Bau begriffen sahen, nun beendigt ist, und dass die wenigen darauf befindlichen Instrumente nun aufgestellt sind (4). Ich habe schon viele Sonnenbeobachtungen mit dem Multiplicationskreise gemacht, um die Polhöhe des astronomischen Hüttchens zu bestimmen.
Ihr Mittel gibt 47° 22' 27"
(5)." —

Feer hatte grosse Freude an s. kleinen Warte, benutzte sie fleissig, und machte unzweifelhaft, ausser den soeben erwähnten Breitenbestimmungen, durch Beobachtung von Finsternissen und Bedeckungen auch eine Reihe von Längenbestimmungen, zog aber aus mir unbekannten Gründen dennoch vor, als Länge s. Warte einfach den Werth 26° 12; 25",5 Ferro = 24m 49S,7 Par. zu benutzen, welchen er früher für den Karlsthurm erhalten hatte (6). Für das westliche Azimuth der Linie Sternwarte-Uto erhielt er 57° 36' 14", und leitete daraus, nachdem er die Sternwarte an s. Dreiecksnetz angebunden hatte, für das östliche Azimuth der Linie Sternwarte-Hörnli 89° 20' 44" ab (7). —

Da Feer nicht nur, wie eben bemerkt, seine Sternwarte mit dem Dreiecksnetz verbunden und dasselbe sorgfältig orientirt hatte, sondern auch die Privatsternwarte, welche s. Freund Scherer (8) in St. Gallen eingerichtet und durch zahlreiche astronomische Beobachtungen nach Länge und Breite ziemlich sicher bestimmt hatte (9), in dasselbe aufnahm, so lag es nahe sowohl die beidseitigen astronomischen Bestimmungen als das Dreiecksnetz dadurch zu prüfen, dass mit Hülfe des Letztern aus der Lage der Zürcher-Sternwarte diejenige der St. Galler abgeleitet wurde. Feer fand hiebei, dass das Observatorium von Scherer 32229t östlich vom Meridian s. Sternwarte, und um 3133t nördlicher als dieselbe liege, folglich, unter Annahme von 1/310 als Abplattung, die Coordinaten
Astronom Wert 1

haben müsse, während Scherer durch directe astronomische Bestimmungen
Astronom Wert 1

gefunden hatte, — eine Uebereinstimmung, welche man damals als eine sehr erfreuliche bezeichnen musste. —

Nach dem Tode von Feer war s. Sternwarte längere Zeit ziemlich verwaist, da sie für Horner, welcher sich zudem mehr und mehr physicalischen Disciplinen zuwandte, sehr abgelegen war. Erst in den Dreissiger-Jahren wurde sie durch Eschmann (10), welcher an der neu entstandenen Hochschule Astronomie vortrug, theils zur Instruction s. Zuhörer, theils behufs neuer Polhöhebestimmungen mit Hülfe des Polarsternes, welche (11), nahe übereinstimmend mit Feer, 47° 22' 30",3 ergaben, benutzt.

Mitte der Vierziger-Jahre, wo Hofmeister (12) zu beobachten begann, und namentlich von 1848 an, wo nach s. Vorschlage in Zürich die mittlere Zeit als bürgerliche Zeit eingeführt wurde (13), kam sie neuerdings für einige Zeit in Thätigkeit.

Endlich diente sie mir, nach Errichtung des Schweiz. Polytechnikums im Jahre 1855, während mehreren Jahren als Local für die angeordneten astronomischen Hebungen, und ging dann schliesslich 1864, wo die neue Sternwarte des Polytechnikums bezogen werden konnte (14), in ein Garten-Pavillon des nebenan liegenden Blinden-Institutes über.