Kapitel XXII. Das schweiz. Polytechnikum und s. Sternwarte.

 

172. Die meteorologische Centralanstalt.

Auf der eidg. Sternwarte ist seit deren Eröffnung auch die schweiz. meteorologische Centralanstalt untergebracht, deren Geschichte darum hier noch in Kürze erzählt werden mag:

Nachdem Scheuchzer's Aufruf (1) fast ungehört verhallt war, beschäftigte sich nach der Mitte des vorigen Jahrhunderts die ökonomische Gesellschaft in Bern ernstlich mit Erstellung eines Schweiz. Beobachtungsnetzes (2), theilte eine Anzahl von Barometern, Thermometern und Regenmessern an Moula zu Neuenburg, Treytorrens zu Lausanne, etc. aus, und erhielt so, wenn es ihr auch nicht gelang schon damals die Geistlichen auf dem St. Bernhard zur Uebernahme einer Station zu bewegen (3), einige werthvolle längere Beobachtungsreihen. —

Später, etwa von 1812 hinweg, beschäftigte sich, auf Anregung von Zschokke und Rud. Meyer, die aargauische Gesellschaft für vaterländische Cultur sogar damit (4), in Nachfolge der Mannheimer Gesellschaft, ein europäisches Netz zu erstellen: Sie wollte nicht nur in Aarau, sondern theils auf einer von Norden nach Süden laufenden Linie (Kiel, Andermatt, St. Bernhard, Pisa, Turin, Neapel), theils auf einer von Westen nach Osten laufenden Linie (Glasgow, Hanau, Prag, Lemberg, Charkow), durch Zusendung von Instrumenten und Instructionen correspondirende meteorologische Beobachtungen ins Leben rufen. Es scheint jedoch bei dem Projecte geblieben zu sein. —

Mehr Erfolg hatte Pictet, als er 1823 der Schweiz, naturf. Gesellschaft vorschlug eine Commission mit der Erstellung eines schweiz. Netzes zu beauftragen; denn nicht nur wurde unter s. Präsidium aus Decandolle, Trechsel, Homer, Kasthofer, Ebel und Zschokke wirklich eine solche Commission gebildet (5), und ein Netz von 12 Stationen in Aussicht genommen (6), sondern es kamen die Beobachtungen 1826 in guten Gang, und blieben mehrere Jahre in demselben, bis nach dem Tode von Horner die Sache nach und nach einschlief, und 1837 auf Antrag von Mousson beschlossen wurde die bisherigen Beobachtungen von Basel und Bern (1826 — 36) im Auszuge in den Denkschriften der Gesellschaft zu publiciren (7), dagegen keine neuen Beobachtungen mehr im Namen der Gesellschaft zu unternehmen, — wovon jedoch glücklicher Weise Genf mit St.Bernhard, Basel und Bern keine Notiz nahmen, und so eine erwünschte Verbindung der altern Reihen mit den neuern möglich machten. —

Bei der Versammlung der Schweiz, naturf. Gesellschaft in Lugano im Jahre 1860 wurde nämlich auf Anregung von Bundesrath Pioda, der einen Beitrag des Bundes in Aussicht stellte, die Wiederaufnahme des Projectes von 1823 besprochen, dafür eine aus Mousson, Wild und Kopp bestehende Commission aufgestellt, und sodann 1861 zu Lausanne, nach Anhörung eines von Mousson im Namen derselben erstatteten Referates, der Beschluss gefasst jenes Project wirklich und sogar auf breiterer Basis wieder aufzunehmen (8), den Bund und die Kantone um die nöthige materielle Unterstützung anzugehen (9), und eine eigene Commission zur Organisation und Leitung des Ganzen zu ernennen.

Diese schweiz, meteorologische Commission, welche anfänglich aus Mousson als Präsident, Wild, Ch.Dufour, Kopp, Plantamour, Wolf, Mann, Ferri und Albertini bestand (10), nahm, sobald durch Beschluss der Bundesversammlung von 1862 II 4 und durch Zusagen einer Reihe von Kantonen das Unternehmen finanziell gesichert war, dasselbe eifrig an die Hand,
— vereinigte sich durch Correspondenz und in wiederholten, zu Bern abgehaltenen Sitzungen über die nöthige Organisation,
— schloss mit der mechanischen Werkstätte von Hermann und Studer in Bern (11) einen Vertrag für Lieferung der Instrumente ab,
— theilte jedem ihrer Mitglieder einen gewissen Kreis von Stationen zu, die es zu besuchen und einzurichten hatte,
— entwarf die Instruction für die Beobachter,
— beschloss die Errichtung einer meteorologischen Centralanstalt für Sammlung, Sichtung und Drucklegung der Beobachtungen auf der eidgen. Sternwarte in Zürich unter Direction ihres Vorstehers, dem die Wahl des nöthigen Personals überlassen blieb (12), etc. — und brachte es dazu, dass mit Dezember 1863 die regelmässigen Beobachtungen an allen Stationen, und im Januar 1864 nach Eingang der ersten Monatstabellen auch die Arbeiten der Centralanstalt in dem unterdessen fertig gewordenen Locale beginnen konnten (13).

 

Diese Beobachtungen und Arbeiten haben seither ununterbrochen fortgedauert; wenn auch mancher Wechsel in den Beobachtern und Stationen eingetreten ist, — die regelmässigen Geschäfte längst ganz in die Hand der Centralanstalt gelegt worden sind, deren Director zugleich Präsident der Commission und Quästor ist, ja bis vor Kurzem, wo auf s. Wunsch der Chef s. Bureau dazu gewählt wurde, auch Secretär war, — etc., und es bieten die seit 1864 unter dem Titel
„Schweizerische meteorologische Beobachtungen herausgegeben, von der meteorologischen Centralanstalt der schweizer, naturforsch. Gesellschaft unter Direction von Prof. Dr. Rudolf Wolf"
regelmässig herausgegebenen stattlichen Quartbände bereits ein reiches Material zum Studium der Schweiz. Witterungsgeschichte, zumal durch sie bereits manche werthvolle ältere Beobachtungsreihe allgemein benutzbar geworden (14), und manche interessante Studie veröffentlicht worden ist.

Ueber die schon seit einigen Jahren von der Commission ins Auge gefasste, aber erst in den letzten Wochen auf Veranlassung des eidg. Departements des Innern probeweise durch die Centralanstalt begonnene Ausgabe eines auf telegraphischen Mittheilungen von Paris, Florenz, Hamburg und den schweizerischen Stationen Zürich, Glarus, Bern, Genf, Basel, Lugano, Trogen und St. Gotthard beruhenden täglichen Witterungsberichtes mit Prognose, wäre es noch verfrüht hier näher eintreten zu wollen, da zuerst der Erfolg abgewartet werden muss.