Kapitel IV. Die Arbeit der Scheuchzer

 

34. Scheuchzer's Schreiben vom Frühjahr 1713.

„Hochgeachte, wol Edelgeborne, Gestrenge, Fromme, Ehren- und Nothveste, Fürnehme, Fürsichtige, Hochweise, Hochgeachte, Hochgeehrteste, Gnädige Herren Obern und Landes Vätter",

schrieb 1713 IV 30 Joh. Jakob Scheuchzer an „Räth und Burger" von Zürich.

„Mit unterthänigstem respect lege vor den Thron Ew. Gnd. und Weisheiten ab einen neuen abriss des Schweizerlands, welches ob es gleich nur 1/11000 Theil des Erdenpünktleins ausmachet, gleichwol ein sonderbar merkwürdiges Theatrum ist nit nur allerhand Natur- sondern auch Gnadenwundern, vielerhand in Religions- und Staatssachen zu allen Zeiten vergangener Begebenheiten; eine Tafel, darinn die Göttliche Providenz, Güte, Wahrheit und Gerechtigkeit mit deutlichen Buchstaben beschrieben; ein Wagzünglein zwischen den mächtigsten Potenzen Europae.

Euch, Gnädige, Hochgeachte, Hochgeehrteste Herren, bin ich in vielweg verpflichtet disere arbeit mit unterthäniger dankbarkeit zuzueignen, als meinen gnädigsten Landesvätteren, als sonderbaren Maecenatibus meiner Studiorum, als hohen antreiberen zu bisher bezeigtem Fleiss. Erlaubet mir, Gnädige, Hochgeachte, Hochgeehrteste Herren, dises wort zu brauchen bey praesentirung einer Arbeit, welche mich wohl 18jährige Reisen, grosse mühe, application und gelt gekostet, welche über 2000 neue wörter und öhrter mehr hat als die Gigerische bis dahin berühmteste Schweizer Chart: eine arbeit, welche zwahr nit ohne fehler, doch an etlich 1000 ohrten corrigirt. Die noch übrigen fehler geruhen Ew. Gnd. und Wht. grossmüthig zu pardonniren, in Betrachtung, das eine vollkomne Schweizercharte nit leichter zu erwarten als eine vollkommene einstimmung aller in disem wunderland befindtlichen Gemütheren; wesswegen auch bisherigem mangel genugsamer Astronomischer observationen die Gradus Longitudinis und Latitudinis ausgelassen.

Ich bitte Ew. Gnd. und Wht. demüthig, Sie wollen disere Vorstellung des Schweizerischen Canaans annehmen mit gewohnt gnädiger Gewogenheit, ihro gönnen Euer hohes Patrocinium, sie ansehen als ein Monumentum publicum meines gegen Ew. Gnd. und Wht. tragenden tieffesten respects.

Schliesslich bitte den allgewaltigen Gott und gütigsten Erhalter Euerer Stätten und Landen, das Er Euere zu seiner Ehr, und dem Wolstand des ganzen Vatterlands, zur beförderung der Erkantnuss und Forcht Gottes, zur äuffnung Euerer Kirchen, Regiments und Schulen abzwekende consilia in grossen Gnaden segne, den durch Gottes heilige leitung kostlichen neugemachten Frieden bevestne, und diss so lang, als lang die Grundvesten der Bergen werden stehen bleiben: wann dann endtlich nach der von Gott abgemessenen Zeit die Gründe der Bergen werden einsinken, und die ganze Erde ihre Gestalt veränderen, so wünsche ich aus grund meines herzens, das Ihr samt Eueren hohen Standts Nachfahren versezet werden in den neuen Himmel und neue Erde, da Gerechtigkeit wohnet, und Ihr Eueren Gütigsten Gott preisen werdet, in alle Ewigkeit."