Kapitel V. Spätere Detailarbeiten

 

43. Bodmer's Marchbuch.

Die ersten sichern Nachrichten über Verwendung von Bodmer als Staats-Geometer geben zwei in den Berner-Manualen vom Februar 1705 enthaltene Notizen: Die eine derselben besagt nämlich dass Bodmer „für sein gehabtes Mühwalt in Zeichnung des Plans der Aare und Zihl", obschon er „unterwegs von Ihr Gnd. kostfrey gehalten worden und bereits neben zwanzig Thalern noch drei Säum Landtwein empfangen", überdiess 50 Thaler, und „denen bey sich gehabten zwey jungen Burgeren (1) Jedem Ein Stück von zweyen Duplonen verordnet" worden seien, — und die andere, dass man beschlossen habe Bodmer aufzutragen „dass er sich bey erster bequemer Witterung ins Under Ergauw begebe, ein oder zwey Ihme dienliche personen mit nemme, um nicht nur grundrisse von den Grentzorten sondern auch mit gips oder wachs verhöchte plans (2) zu verfertigen."

Nachdem Bodmer sodann einen von Haller unter dem Titel „Karte des Amts Königsfelden samt umliegender Gegend" verzeichneten grossen Handriss eingegeben, wurde der Auftrag dahin erweitert einen „generall plann vom gantzen underen ärgeuw zu machen", und ihm entsprechend entstand noch im gleichen Jahre die von Haller ebenfalls als „sehr grosser, genauer und umständlicher Handriss" verzeichnete „Mappa Argovise Bernensis", in Beziehung auf welche Bodmer 1705 IX 4 aus Lenzburg an den Kriegsrath schrieb: „Willen das landt gross, der herschafften und törffer vil, die arbeit aber fleisig, so brucht es ein unvertrosene zeit dazu, habe aber selbige auch baldt zu ent gebracht, ist eine arbeit die Euch MHGH. gefallen wirt", zugleich beifügend: „Zu Verfertigung disers plann habe ich mir auch ein sunderbahr instrumendt lassen machen und wirt selbiges gebrucht die schlöser und törffer an ihr gebührendt ort zu setzen. Darzu hab ich von nötten gehabt ein Compas welchen ich von Herr Malacrida (3) hab lassen komen, soll 8 Cronen kosten. Bitte MHGH. ob sie selbigen bezallen möchten oder ob ich in wider solle überschicken (4)."

Die geschickte Weise mit der Bodmer die ihm aufgetragene Arbeit an die Hand nahm, ermuthigte die Regierung alsbald auch den frühern Plan wieder aufzunehmen die sämmtlichen Grenzen ihres Gebiets in Grund legen zu lassen: Schon 30 Jahre früher hatte sich nämlich offenbar Ingenieur Willading (5) mit dieser Aufgabe befasst, indem in einem 1676 X 23 vom Kriegsrathe an ihn erlassenen Schreiben die Stelle vorkömmt „Interim könne der Herr Ingenieur, soweit es noch das Wetter zulasst, mit Delineation der übrigen Grentz-Pässe continuiren und fortfahren, — bey dieser Gelegenheit aber auch sehen wie hierin dess Schöpffen seine Carte zutreffe (6) , und wo etwas zu verbessern were solches bemerken"; er hatte aber, wie es scheint, dieselbe nicht vollständig gelöst, so dass es nun gerathen schien Bodmer damit zu betrauen, und für ihn 1706 IV 15 folgendes Patent auszustellen:
„Wir Schultheiss und Rath der Stadt Bern thun kund hiemit, demnach wir gutt und nothwendig befunden, die Gräntzen unserer Landen in Grundt setzen undt desswegen die benöthigten Plans machen zu lassen, dass daraufhin Wir diesere Arbeith Unserm Lieben und Getreuwen Burgern, Samuel Bodmer, dem Geometra und Stucklieutenanten, aufgetragen undt desswegen gegenwärtige Patent ertheilt, dadurch dan alle unsere Ambtleuth und Beambtete hiemit befelchnet sein sollendt besagten Unsern Burger Samuel Bodmer hierinnfahls allen Vorschub und Befürdersame Handtpiethung zu verschaffen, damit Er in seiner Vorhabenden Arbeith im minsten nit verhinderet werde."

Bodmer führte nun wirklich auf Grund dieses Patentes trotz vielfacher Schwierigkeiten und Störungen in der relativ kurzen Zeit von 6 Jahren die zur Lösung der ihm gestellten Aufgabe nöthigen Vermessungen aus, und brachte sodann in weitern 6 Jahren die gewünschte Ausarbeitung zu Stande, welche drei starke Folianten füllt, von welchen einer den Text enthält, während die beiden ändern die sauber, ja mitunter fast künstlerisch ausgeführten Zeichnungen umfassen (7) . Der Textband führt den Titel: „March-Buch: Darinnen beschrieben und verzeichnet stechet die Hochen Landmarchen der Grossmächtigen und von dem Allmächtigen Gott vestgesetzten Respublic und Standt der Hochloblichen Statt Bern, nicht nur die Lenge der Linnien von einem Marchstein biss zu dem andern, sondern auch sambt den Gradus-Wincklen wie die einte gegen die andere offen stechet, bezeichnet und wie selbiges alles von distanz zu distanz beschrieben wirdt. Alles auss Hochobrigkeitlichem Befelch aufgenommen und in Grund gelegt durch Samuel Bodmer, Burger, Geometra und Lieutenant der Artillerie hochlobl. Statt Bern" (8) , — und die zwei übrigen Bände mit den Zeichnungen, welche keine allgemeinen Titel haben, sind als Beilagen zu demselben zu betrachten. Ueber den Inhalt dieses ganzen, ein förmliches Ehren-Monument s. Verfassers bildenden Werkes, und namentlich auch über s. Entstehung gibt das Schreiben, welches Bodmer am 20. October 1717 aus Amsoldingen, bei Uebersendung der Bände, an den Kriegsrath richtete, den besten Aufschluss, und da es überdiess auch durch seinen übrigen Inhalt von höchstem Interesse ist, so kann ich mir nicht versagen, dasselbe zum Schlusse in extenso mitzutheilen. Es lautet:

„Nachdemme ich im aprellen 1705 MGH. Kriegs-Rätten hochen befelch empfangen habe die hochen landtmarchen der grentzen Ihres mächtigen landes gegen alle Ihre angrentzenten herlikeitt und Herschaften In grundt zu legen, alle Ihre Marchsteine und Marchbezeichnungen eigentlich zu beschreiben, zu verzeichnen und zu nummeriren, ihre distanzen von einer march zur ändern fleissig zu mässen, die gradus der winklen wohl ufsezen, damit fürohin kein marchstein mer möge verlohren gehen, willen nun der hoche und mächtige Standt hochloblicher Stadt Bern diese wundergrose und sehr nuzliche arbeit für nodtwendig angesehen wie es dan in der Wahrheit befunden worden — mier als der allergeringste Ihrer burgeren und diener uffgetragen und befelchnedt worden, welche arbeit ich mit hösten Ehr und gehorsam angenommen und daran angefangen zu arbeitten im aprellen 1705 und uff dem Feldt gearbeitedt 6 Jahr bis 1710 (9).

Da ich dise grose arbeidt durch Göttlichen beistandt uff dem feldt zu endt gebracht, von anno 1710 dan habe ich dise grose arbeit bis in augsten 1717 auff das pabeir gebracht. Dem grosen Gott sei herzlich dafür getancket der meich so sicherlich in so mancher läbensgefahr geleittedt und erhalten hat, über hoche felsen, ungeheure gletzer, über wasser und landt und morast und tieffe täller, da ich auch zwei mussketten Kugel in die Kleider bekommen (10).

Nun dise grose arbeit stedt in einer gutten ohrnung in 4 grosen bücher.

Der erste teil handtlet von der mitnächtigen linien von Genffersee im ambt Neuws vom hochen und grosen marchstein bis nach arburg an die fluh.

Im anderen teil ist diese linien weitter beschriben bis in den üssersten marchstein so hinder schenckenberg in der arren Stadt alda die mittagslinien auch ihren anfang nimmbt und gadt bis uff die brugen von St. moritzen.

Der tritte teil dan handtlet allein von den grentzen des freiburger gebiedts, in welchen trei teilen dan befunden werden 572 Cartten von der Siduazion des anstosen Landes, an marchsteinen werden befunden 1583 welches alles so weit als möglich gemässen von march zu march mit 1494835 schridt, machen an stunden der marchlinien nach so selbe zu 4000 schridt genommen wirdt 3731/2 Stundt ohne des gletzers in grindelwaldt.

Das 4 buch ist ein ganzer Voliant beschriben von eines jeden marchsteins qualitedt, auch alles was ich hab beibringen mögen, alles mit grosem fleis, müh und arbeidt, wie dan MGH. und oberen scholch alles im grosen marchbuch werden beschriben finden, ist ein grosses werck, allein disers grose werck ist nun zu endt gebracht.

Nun werd ich selbs wie billich zuerst Euch MGH. denen Kriegs Rätten comunicieren als die anfenger disers grosen und nuzlichen wercks, hernach dem hösten gewaldt MGH. der hochen landts-oberkeidt zu ihren hösten gnaden füssen legen, verhoffendtlich Sei werden ein gnädiges Wohlgefallen daran haben und meich in ihre vätterliche gnaden handt einschliessen. Wan aber disers grose werck recht betrachtet wirdt, so werden MHGH. wohl erkennen das dis werck noch nicht volckommen sei sunder nodtwendig eine ganze general Cartten vom gantzen landt darzu von nötten sey, darin alle marchsteine ufgesetz werte, wie auch alle marchsteine aller ämbter, auch ein atlas von allen vogteien und herschaften, auch Jeder Vogtej des ganzen ambts ein sundere Cartten gemacht werde. Alsdan würte das werck vollcommen und gros und disem hochen Standt gemäs.

Ich würde schon längsten mein ganzes laben darzu gewitmedt haben MHH. hochen landes oberkeidt hierinnen uff zu wahrten, damit sei keinen frömden von nötten haben ihr landt zu beschauwen, bietten mich noch mahlen an meiner hochen Landesoberkeidt in diser arbeit mein annoch kurtzes laben uffzuopfern und dise General Cartten uffzusetzen, worzu ich schon anno 1710 den 31 Jenner von MHGH. den Kriegs Ratten ein befelch empfangen habe, welcher also luttedt:

Es wird Euch uffgetragen an denen Inneren theil des landts zu arbeitten, Jede Vogtej in eine sunderbahre Cartten zu bringen darüber eine Haubt landt Cartten also einen bernerischen atlanten zu verfertigen und in zu geben, da danzumahlen von übrigen in euwerem Vohrtrag vohrgestelter arbeit wirdt geredt werden (11).

Dazu mahl habe ich auch, wie noch für dis mahl für nodtwendig gefunden alle Haubtpäs umb das gantze landt in einen claren plann zu bringen damit im fahl der nodt, wie es dan wahrlich zeit ist, die hoche landts oberkeidt wüsen und sächen könntten wohin sei ihres Volck hin postieren solten. Ich habe zwar etliche hoche päs in augenschein genommen und in babir bracht als der gotthart, der simblum, St Bernhart, auch andere kleinere die ich alle selbsten bezeichnet habe, aber nicht so offendtlich wie sunsten von frömden in unser landt beschicht welches mich sehr vertriest. Bitten also nochmals ganz untertänigist die gantze hoche landtsoberkeidt sei wollen doch mein einfaltiges anbringen zu guttem des gantzen vatterlandts gefallen lassen, und mein annoch kurzes läben darzu anwenden worzu ich es noch willigklich uffopfere. Die Nodtwendigkeit diesers Wercks wirdt man nach meinem todt erkennen. Der Herr Zebaodt gebe friden in euweren grenzen und segne disen hochen Standt in alle zeiten hin us."