Kapitel XIII. Die kantonalen Vermessungen.

 

108. Jean-Frédéric Osterwald.

Zu Neuenburg 1773 einem alt-berühmten Geschlechte entsprossen, bildete sich Jean-Frederic Osterwald, obschon ihn s. Naturanlagen eher zum Künstler zu bestimmen schienen, zunächst in Frankfurt und Paris zum Kaufmann aus (1).

Als er jedoch in die Vaterstadt zurückgekehrt war, erwachte bei ihm ein so starker Trieb zur Mathematik und Topographie, dass er sich nicht scheute als bereits verheiratheter Mann wie-der auf die Schulbank zu sitzen, um sich die fehlenden Kenntnisse in ersterm Fache noch nachträglich zu erwerben.

Ohne diese Studien zu unterbrechen, übernahm er 1798 das Amt eines Generalcommissärs, welches ihm die Ueberwachung der Staatsarchive, die Sorge für gute Pläne der Domänen, etc. überband. Während er diese ihm ganz zusagende Stellung bekleidete, wurde er durch einen gemeinsamen Freund mit Tralles bekannt, der damals noch in Bern wohnte, aber bald erst zeitweise, dann ganz nach Neuenburg übersiedelte, — wohnte wiederholt dessen Messungen bei, — ja arbeitete sich nach und nach selbst an ihm zu einem so tüchtigen Geodäten und Topographen auf, dass ihm die im Folgenden speciell zu beschreibende Aufnahme s. Heimatkantons möglich wurde (2). —

Nachdem Osterwald 1807 diese schöne Arbeit beendigt hatte, wurde er durch den Wunsch einem Bruder, welcher in Paris als Kunstverleger schwere Verluste erlitten hatte, wieder aufhelfen zu können, veranlasst sich lange Jahre erst in Neuenburg mit kaufmännischen, dann in Paris mit künstlerischen Unternehmungen zu befassen (3), musste aber am Ende froh sein mit einem blauen Auge wegzukommen.

Als er so 1836 von Paris zurückkehrte, wendete er sich neuerdings der Topographie zu, übernahm verschiedene betreffende Arbeiten in Genf und s. Heimatskanton, auf welche wir, speciell eintreten werden (4), und benutzte dann namentlich s. Lebensabend um eine sich längst gestellte Aufgabe zu lösen. Schon 1814 IV 30 hatte er nämlich an Huber in Basel geschrieben:
„Je consacre mes loisirs à réunir les matériaux trigonométriques et topographiques, qui existent en Suisse afin de commencer et perfectionner une carte générale de la Suisse, qui avec le temps pouvait être complétée et former ainsi un recueil plus exact que ce que nous possédons. La triangulation qui va bientôt couvrir en entier le Canton de Berne (5), celle des Ingénieurs françois (6), celle dirigée par Mr Finsler dans le Canton de Zurich et la Turgovie (7), celle que j'ai établi moi-même sur une partie de la chaîne du Jura (8), peuvent déjà servir à rectifier toute la partie occidentale et septentrionale de la Suisse. —

Comme vous vous trouvez enveloppé d'une triangulation exacte votre terrain se trouverait assujetti dans ses limites par cela même, de maniere qu'on ne devrait pas craindre d'erreur; mais je n'en désire pas moins sincèrement que vous exécutiez les travaux géodésiques que vous projettez et que vous puissiez les lier aux triangles suisses déjà existans (9). La grande Base mesurée dans les marais d'Arberg par le Professor Tralles et qui a été vérifiée par celle mesurée près de Mulhouse devrait être le point de départ général afin que nous ayons un travail uniforme et national qui puisse honorer notre patrie."

Er hatte auch später s. Plan immer im Auge behalten, und dann namentlich wieder in der zweiten Hälfte der Dreissiger Jahre, wo Studer und der jüngere Escher von der Linth eine gute Schweizerkarte zu haben wünschten um sie einer geologischen Karte zu Grunde legen zu können (10), lebhaft an die Hand genommen, alle Materialien gesammelt, deren er habhaft werden konnte, und auf vielen Reisen die topographischen Verhältnisse an Ort und Stelle studirt. Und auch als ihm Ziegler in Beschaffung einer für obigen Zweck brauchbaren Karte zuvorkam (11), und ein Stich seiner eigenen Karte in Stein verunglückt war, gab er s. Vorhaben nicht auf, sondern engagirte 1847 Delsol in Paris um die Karte in Kupfer zu stechen.

Leider starb aber Osterwald 1850 ehe der Stich vollendet war, so dass den letzten Parthien die nöthigen Correcturen abgingen, und da überdiess durch die allmälig erscheinenden Blätter des Dufour-Atlasses ein hinlänglicher Absatz precär erschien, so wurde schliesslich auf eine eigentliche Ausgabe verzichtet, und nur eine sehr beschränkte Anzahl von Abzügen gemacht, welche theils als Andenken an den Verfertiger, theils für Liebhaber der Kartographie bestimmt waren, denn, wie Mandrot bemerkt, als
„échantillon du système de la représentation du terrain par les courbes et les teintes, elle est encore supérieure à toute autre carte de même échelle."

Sie führt den Titel „Carte topographique et routière de la Suisse et des contrées limitrophes. Dressée et dessinée par Jean-Frederic d'Osterwald", — hält 93 auf 67 cm., — geht nach Süden bis zum Parallel von Mailand, und greift überhaupt nach allen Seiten etwas weiter als die meisten übrigen Schweizerkarten, — ist nach ihrer Anlage recht brav (12), — und darf nach ihrer Ausführung wohl als die schönste Darstellung unsers Landes bezeichnet werden, die der Dufour-Karte vorausging.