Kapitel XXII. Das schweiz. Polytechnikum und s. Sternwarte.
Die nach der Reformation in Zürich, Lausanne, Bern, Genf, etc. entstandenen Academien waren zunächst
zur Vorbildung von Geistlichen bestimmt, die sog. classischen Studien dominirten,
wer eine leidliche Uebersetzung machen und sich für eine Haarspalterei begeistern, oder über irgend
einen Unsinn stundenlang disputiren konnte, war ein guter Schüler, und rückte vor, mochte er sonst
auch noch so unwissend sein, die mathematischen Wissenschaften wurden zwar geduldet, aber
da sich in den untern Schulen der betreffende Unterricht meist auf das gemeine Rechnen beschränkte
und zudem in der Regel höchst mittelmässigen Lehrern, etwa in Verbindung mit Schreiben und Singen,
zugewiesen war, so fehlte in den obern Schulen jede Vorbildung, so dass, wenn da auch einmal
ausnahmsweise Besseres geboten wurde, höchstens bei ganz ausgezeichneten Schülern wirkliche
Erfolge erzielt werden konnten,
die Naturwissenschaften endlich waren meist nur dem Namen nach vorhanden, etwa als Physica"
einem formalen Unterrichtsfache angehängt, dessen Vertreter sie entweder selbst fremd waren oder dann
wenigstens die Mittel fehlten um durch Vorweisungen oder Versuche für das Vorgetragene Interesse und
Verständniss zu erwecken.
So sah
(1),
um nur Ein Beispiel zu geben, bereits die Berner-Schulordnung von 1616 zwei Professoren der Philosophie vor,
von denen der eine Metaphysik, Physik, Logik und Rhetorik, der andere Arithmetik, Geometrie und
Astronomie in einem Curs von drei Jahren dociren sollte"; aber für den ersten Lehrstuhl war keine
Spur eines physicalischen Apparates vorhanden, so dass nur die dialektische Physik der Scholastiker"
vorgetragen werden konnte,
und der zweite Lehrstuhl blieb einfach unbesetzt, ja wurde in der Schulordnung von 1676 wieder
weggelassen, was freilich für eine Zeit begreiflich war, in welcher nach Manuel
(2)
die jährliche Importation der fremden Perruques auf Kronen 10000, und die Importation der
fremden Bücher auf Kronen 9000 geschätzt" wurde, so dass man in der That mit diesem Berichterstatter
schliessen möchte dass unsere lieben Ahnväter ihr Gehirn eher durch äusserliche Wärme als durch
innerliche Mittel zur Reife zu bringen bedacht waren."
Sogar die Hochschule in Basel bestand schon mehr als zwei Jahrhunderte als (3) Jakob Bernoulli 1682 an ihr eine erste Vorlesung über Experimentalphysik hielt, und erst 1727, nachdem der Ebengenannte und s. Bruder Johannes schon längst an ihr eine mathematische Schule gegründet hatten, wurde für Benedict Stähelin, dann aber auch 1749 von Bern für seinen fameusen Niklaus Blauner, auf öffentliche Kosten ein physicalischer Apparat angeschafft (4).
Es ging nun überhaupt allenthalben durch den Einfluss der Scheuchzer, Gessner, Haller, Cramer, Calandrini, Crousaz, etc. rasch vorwärts, und bald blieben nur noch Wenige, welche sich vor einem Mathematiker oder Naturforscher wie vor dem leidigen Gott sei bei uns" bekreuzigten.