Kapitel III. Die ersten Aufnahmen

 

15. Thomas Schöpf.

Muthmasslich in den 20er Jahren des 16. Jahrhunderts zu Breisach geboren, wurde Thomas Schepff oder Schöpf 1541 zu Basel unter dem Rectorate von Simon Grynäus immatriculirt, erhielt daselbst 1543 die „prima in artibus laurea", promovirte 1546 in Wittenberg, kehrte nach Basel zurück, und wurde dort 1547 unter dem Decanate von Heinrich Pantaleon in die „Facultas magistrorum" aufgenommen (1). Aus späterer Zeit findet sich sodann noch die Notiz (2), dass „Thomas Schöpfius, schulmeister zu S. Peter" im Herbst 1552 mit Felix Plater nach Montpellier gezogen sei, so dass man wohl anzunehmen hat, es habe Schöpf 1547—52 einen Schuldienst in Basel versehen, und sich sodann entschlossen zur Medicin überzugehen. Wie lange er in Montpellier blieb, und wohin er von dort seine Schritte wandte, ist unbekannt; dagegen erfahren wir aus den Berner-Rathsmanualen (3), dass 1565 I 31 in Bern „Doctor Thomas Schöpff zu einem Stattartzet angenommen" wurde, und dass derselbe 1576 VIII 3 „vom Rathe Bewilligung zum Druck und zur Herausgabe seiner Beschreibung der Bernischen Landschaft" erhielt.

Es fallen also mit Sicherheit in diesen Zeitraum von 1565—76 die beiden grossen Arbeiten (4), mit welchen sich Schöpf, wie wir sofort des Nähern hören werden, so ungewöhnliche Verdienste um die Schweiz erworben hat, nämlich die Construction einer ersten Specialkarte des damaligen Berner-Gebietes, und die Redaction eines betreffenden Commentars. Was zunächst die Karte anbelangt, so besteht sie aus 3x3 Blättern von je 65 auf 46 cm. (5) Das oberste Blatt links, nach der Orientirung die südöstliche Ecke, enthält, ausser einem kleinen Theil des Oberlandes und des Oberwallis, den Titel „Inclitse Bernatum Urbis, cum omni Ditionis suae Agro et Provinciis Delineatio chorographica secundum cujusque Loci Longitudinem et Latitudinem Coeli, Authore Thoma Schepfio Bris. Doctore medico" — das Nebenblatt rechts die Gegend von Sitten und Adelboden, sowie den Anfang des Genfersees, — das oberste Blatt rechts, ausser dem übrigen Theil des Sees, einige lateinische Verse zu Ehren von Schöpf und seiner Karte. Das zweite Blatt links enthält, ausser der Gegend von Brienz, theils die Abbildungen eines Zirkels und Winkelhakens, wohl um vorgenommene Messungen anzudeuten, theils eine Zuschrift von Schöpf an die Berner-Regierung, welche „Ex Musaeo nostro pridie Calend. Septemb. Anni MDLXXVII (1577 VIII 31)" datirt ist, und folgende Hauptstelle hat: „Hunc itaque meum laborem, quem in conficienda hac tabula horis a reliqua mea vocatione liberis, et ex decreto vestro in lucem typis evulganda suscepi (nulla alia de causa, quam ut animum et amorem meum praeclarè de hac Republ. merendi testata facerem, et qui essem erga illam et Ecclesiam Dei affectus, publicè declararem) nomini vestro, Viri amplissimi, et domini mihi summè observandi, nuncupo et patricinio commendo, quem rogo defendendum, et authoritate vestra ab injuriis et calumniis vindicandum suscipite" (6), — das Nebenblatt die Gegend von Bern und Freiburg, — und das Blatt rechts die Gegend von Yverdon und Aubonne. Das unterste Blatt links bringt ausser der Gegend von Aarau und der Erklärung der angewandten Zeichen, eine Zuschrift von Schöpf an die Leser, welche sich zunächst auf das die Karte umgebende Gradnetz bezieht und die Ungleichheit der Breiten- und Längengrade bespricht (7), ferner ein kais. Privilegium, welches die Namen der Zeichner, Stecher und Herausgeber enthält, und wie folgt lautet: „Bernae Nuitonum pingebant et excisis typis aeneis exsculpebant, Martinus Krumm Bernensis et Johannes Martin Daventriensis ambo pictores. Adjuvante Adelbergo Sauracker cive Basiliensi excudebatur verò cura Bernhardi Jobini (8). Gratia Privilegioque Caesario Anno 1578", — das Nebenblatt die Gegend von Biel, die Maassstäbe (9), und einige Hülfstäfelchen zur Bestimmung der Tageslänge, der Schattenlängen, etc., — und endlich das unterste Blatt rechts, oder die nordwestliche Ecke, ausser der Gegend von Pontarlier, eine Anlei­tung um aus der Karte die Länge irgend eines Punktes zu erheben und die eben besprochenen Hülfstäfelchen zu benutzen (10).

Die Anlage der ganzen Karte, welche nach aussen durch einen, die Wappen der Landvogteien, etc. enthaltenden Kranz abgeschlossen wird, ist zwar nicht so genau, dass man an eine streng durchgeführte geometrische Grundlage denken dürfte, aber doch ge­nauer als es ohne jegliche Messung gedenkbar wäre; (11) dagegen ist die Ausführung selbstverständlich noch höchst mangelhaft, — die Ortschaften sind in relativ sehr grossem Maassstabe (12) , und wie die Berge in einer Art Vogelperspective dargestellt, — und der Detail ist zwar reich, aber mit vielen Fehlern behaftet, so dass man kaum begreifen kann wie diese Karte, nicht nur etwa als historische Merkwürdigkeit, sondern de facto bei zwei Jahrhunderte lang in höchstem Ansehen bleiben konnte (13).

Der zu der Karte gehörende Commentar, welcher in der mir vorliegenden Copie einen massigen Quartband füllt (14), trägt den Titel „Inclytae Bernatum Urbis cum omni ditionis suae agro et provinciis Delineatio chorographica, Libris duobus complexa. Authore Thoma Schöpfio, Brisacensi, Medicinae Doctore et apud clarissimam Bernam faciente Medicinam. A. 1577". Nach einer die Vorrede ersetzenden Zueignung an den Rath, in welcher er seine Arbeit gegen den Vorwurf, sie sei irreligiös oder gar staatsgefährlich, vertheidigt, dagegen leider nichts über ihre Grundlagen beibringt, geht Schöpf zu der Ortsbeschreibung über, und zwar beginnt er wie billig mit der Haupt­stadt Bern, über deren geographische Lage er wörtlich Folgendes mittheilt: „In Beziehung auf den Himmel hat sie die Lage, dass ihre Länge nach den Neuern und namentlich nach der neuesten Beschreibung des ganzen Erdkreises durch den ausgezeichneten Mathematiker Gasparus Vopellius (15) auf 29 1/6 Grade fällt. Ueber die Breite mache ich folgende Annahme: Obwohl ich und viele Andere um die wahre Polhöhe dieses Ortes zu bestimmen, öfters und sorgfältig mit sehr zweckmässigen Instrumenten auf verschiedene Weise Untersuchungen anstellten, und (um die Wahrheit zu gestehen) bis jetzt niemals mehr als 46 4/5° herausgebracht haben, so glaubte ich doch der Meinung eines bedeutendem Mathematikers, wornach sie 46 9/10° beträgt, mich anschliessen zu sollen." Nachher kommen alle übrigen Bernerischen Ortschaften, nach Provinzen, Präfecturen, etc. geordnet, zur Sprache, und so sagt er z. B. von Hindelbank: „Ein Weiler in einer sumpfigen Gegend gelegen, welche ganz von einem Bach durchflossen wird. Die Herrschaft hat die hochedle Familie von Er­lach inne. Die Länge beträgt 29° und fast 16 1/2',
die Breite 46° 59 3/4', die Distanz von unserer Stadt 2 11/12, von Burgdorf 1 2/5 Wegstunden", — und ähnlich werden alle übrigen Ortschaften behandelt. Wie diese Bestimmungen erhalten wurden, erfährt man dagegen leider nicht.

Während Schöpf die letzte Hand an seine Arbeit legte, d. h. im Sommer 1577, brach in Bern eine furchtbare Seuche aus, an welcher (16) „vom Juli bis auf Weihnachten nicht weniger als 1536 Personen starben, in der letzten Woche Augusts allein 132; am 13. September wurden 28 Leichen zu Grabe getragen; erst im Dezember hörte sie auf." Dem Stadtarzt fiel dadurch nicht nur eine schwere Aufgabe zu, sondern er erlag selbst der unheimlichen Krankheit, — wie es ihm wohl geahnt haben mochte, als er, wie oben gemeldet, am 31. August die Zueignung seiner Karte unterzeichnete. An welchem Tage er starb, weiss man nicht (17), — sicher ist nur, dass es vor dem 4. Novbr. 1577 geschah (18), so wie aus dem Umstände, dass das auf der Karte abgedruckte Privilegium die Jahrzahl 1578 zeigt, mit Sicherheit geschlossen werden kann, es sei die Karte erst nach seinem Tode wirklich ausgegeben worden. Letztere fand ungetheilten Beifall, vergriff sich rasch, und gehörte schon im Anfange des 17. Jahrh. zu den grössten Seltenheiten, so dass es eine ganz gute Idee des Buchbinders Albrecht Meyer von Bern war, um Bewilligung für einen Neuabdruck einzukommen. Dieselbe ist im Venner-Manual unter dem 8. Febr. 1672 mit den Worten eingetragen: „Mr. Albrecht Meyer dem Buchbinder Ist verwilliget die grosse und mindere Landtaffel des Berngebiets In Truck ussgehen zu lassen (19). Jedoch wan er die Kupffer hernach verkaufen wollt, Solle er dieselben MGH anbietten." Die Ausgabe erfolgte wirklich noch in demselben Jahre 1672 (20), und nachher wurden nach Haller „die Kupfertafeln vermünzt."