Kapitel IX. Der Schweizer-Atlas von Meyer.

 

85. Die Reliefs von Müller.

In einem leider fast unleserlichen Concepte zu einem Schreiben an den Stadtrath von Aarau, welchem Müller ein Relief von Engelberg als Geschenk anbieten wollte, sagt derselbe unter Anderm, nachdem er Verschiedenes, uns schon Bekanntes, über seine Arbeiten für Meyer mitgetheilt:

„Spätter bereisse ich das hochgebürg vom gross bernhard wallis bis an tiroller grentzen bis 1797 da dem bublichkom die landkarten brob bögen vorgelegt werden konten.
Die jetzt ausgeübte press freiheit mit nachmallen benutzen andere Herr meyer zum nachtheill und grossen schaden. Hiermitt wolte ich Herr meier nit mehr unkösten verursachen
(1), und beidseitig uns verstendiget, das ich kein anlass oder mithelfen der Landkarten ihm zum nachtheil verhülflich sein wolle.
Hingegen gibt Herr meier mir zu das ich in Relief arbeiten köne nach belieben, welches ich auf meine kösten fortgesetzt habe, und mich besser befand als Herr meier mit sein Kartenausgaben und unglücklichen söhnen."

Müller hielt an dieser Theilung des Arbeitsfeldes auch später fest, und verfertigte eine ganze Reihe grösserer und kleinerer Reliefs, von welchen hier zunächst das in Zürich auf der Stadtbibliothek aufgestellte und noch jetzt mit Recht von jedem Beschauer bewunderte grosse Relief nach s. Geschichte (2) und Beschaffenheit näher ins Auge gefasst werden mag:

Müller hatte schon etwa 1814, veranlasst durch Joh. Conr. Escher, in Zürich ein Relief der innern Kantone, des Berner-Oberlandes und Oberwallis, sowie des grössten Theiles von Bünden und St. Gallen, aufgestellt, für welches der Preis von 1000 Neuthaler in Aussicht genommen war, welche Escher durch eine Subscription zusammen zu bringen hoffte.

Da aber in den nächsten Jahren die öffentlichen und Privat-Cassen durch Kriegssteuern, Hungersnoth, etc., stark in Anspruch genommen waren, so verzögerte sich der Ankauf fortwährend, und erst im Herbst 1817, nachdem Escher der mathematisch-militärischen Gesellschaft auseinander gesetzt hatte
„welchen Nützen dieses Basrelief in militärischer und topographischer Rücksicht sowohl für Zürich im Allgemeinen, als für die Gesellschaft im Besondern gewähren könnte",
und diese dem Stadtrathe in einem eigenen Schreiben den Ankauf dringend empfohlen hatte, nahm Letzterer die Sache ernstlich an die Hand, und schloss, nachdem sowohl der Staat als das kaufmännische Directorium Beiträge von je 1000 Franken zugesichert hatten, mit Escher zu Gunsten von Müller einen Kauf-Vertrag ab:
Müller erhielt nach demselben an Baar 1000 fl.; überdiess wurde eine von ihm für die Gemeinde Engelberg contrahirte Schuld von 2000 fl. als erloschen erklärt, und der aufgelaufene Zins derselben gestrichen, — respective an Escher, der ihn aus s. Tasche bezahlt hatte, vergütet, — so dass Alles in Allem etwas über Fr. 5000 bezahlt wurden. —

Das so erworbene Relief besteht aus 10 Tafeln von 98 auf 131 cm., misst im Ganzen 490 auf 262 cm., stellt etwas über 800 Quadratstunden dar, gibt die Terrain Verhältnisse in überraschender Genauigkeit, und ist auch in Beziehung auf die Anlage richtiger, als man es irgend erwarten dürfte (3). Es bildet nicht nur, wie schon angedeutet wurde, eine Hauptzierde der Zürcher Stadtbibliothek, sondern zugleich auch das schönste Ehrendenkmal für s. Verfertiger. —

Ausser diesem Relief besitzt die Stadtbibliothek in Zürich von Müller noch zwei kleinere Reliefs, das Wallis und das Engelberger-Thal darstellend, von welchen das Letztere als eines seiner gelungensten betrachtet wird. Ferner finden sich grössere und kleinere Müller'sche Reliefs im Kloster zu Engelberg, im Rathhause zu Sarnen (4), bei Ingenieur Ziegler in Winterthur, in Berlin, Stuttgart, Sigmaringen, etc., von welchen die erstem Beiden durch den Verfertiger geschenkt wurden, die Letztern, namentlich die durch Vermittlung des mit Müller befreundeten Chorherrn Businger (5) ins Ausland abgesetzten, ihm ganz ansehnliche Beträge abwarfen. —

Zum Schlusse füge ich noch aus einem von 1878 III 3 datirenden Briefe eines genauen Sachkenners, des Herrn Beck in Bern (6), folgende sachbezügliche Stelle bei:

„Müller's Reliefs bestanden aus einer Masse von Gyps, Sand und Kalk mit Wachs und Harz; von Letzterm hat Müller gewöhnlich etwas zu viel beigemengt, wesshalb beim Bescheinen der Sonne das Durchschwitzen und schmutzige Aussehen.

Aehnliche Masse, jedoch gröber verwendete Pfyffer, Lehrmeister des Vorigen (7). Pfyffer trug aber die Masse zuerst auf die untere Fläche, während Müller umgekehrt verfuhr, und zuerst die Gipfel der Berge bearbeitete; er übergoss eine mit Plan versehene und der Höhe der Berge entsprechend eingewandete Fläche mit oben beschriebener heisser Masse, dass dieselbe die vorher eingeschlagenen entsprechend hohen Stiften an den Berggipfeln überragte. Nach dem Erkalten hat er bei den höchsten Bergen angefangen die Vertiefungen nach unten auszugraben (8). —

Jetzt bei den guten Curven-Karten schlägt man andere Wege ein; man schneidet die auf entsprechend dicken Carton geklebten Curven aus, und klebt sie über einander: dadurch erhält man eine sichere Grundlage und die Flussbette erhalten ihr richtiges Gefäll. In den obern Regionen, bei Felsen und Gipfeln, können nur die Hauptcurven beachtet, und bei den Uebrigen muss durch geübtes Modelliren mit feiner Wachscomposition die richtige Form hergestellt werden."