Kapitel V. Spätere Detailarbeiten

 

52. Henri Mallet.

Zu Genf 1727 geboren, zeigte Henri Mallet oder Mallet-Prevost, wie er sich zur Vermeidung von Verwechslung mit andern Familiengliedern häufig gezeichnet haben soll, schon frühe grosse Vorliebe für Mathematik und Geographie, und bethätigte dieselbe dann namentlich durch topographische Aufnahmen in der Umgebung s. Vaterstadt, welche ihm das Material für die vortreffliche Karte lieferten, die er durch Guill. De-la-Haye stechen liess und 1776 unter dem Titel „Carte des environs de Genève comprenant le territoire de cette République et les frontières de France, de Savoye et de Suisse entre lesquelles elle est située“ herausgab. Diese Karte von 68½ auf 46 cm. gehört sowohl nach der Genauigkeit ihrer Anlage (1), welche unbedingt auf Anwendung guter geometrischer Grundlagen schliessen lässt, — als nach der auf den Detail und die Terrainzeichnung verwendeten Sorgfalt, entschieden zu den besten Leistungen früherer Zeit auf diesem Gebiete, und es ist ganz begreiflich, dass durch sie Mallet sofort unter den Topographen zünftig wurde. Zur Orientirung ist der durch den Thurm der Kirche St. Pierre in Genf führende Meridian angegeben unter Beifügung, dass dieser Thurm „suivant le résultat de diverses observations" die Länge 23° 47' 45" Ferro = 15m 11s Par. und die Breite 46° 12' 18" habe; ob Henri Mallet diese Bestimmungen selbst gemacht, oder dieselben, wie mir wahrscheinlicher ist, von seinem Vetter Jacques-André Mallet (2), mit welchem er häufig verwechselt wurde, bezogen habe, wird nicht gesagt. —

Fünf Jahre später, nämlich im Jahre 1781, erschien sodann die Hauptarbeit von Henri Mallet, seine
„Carte de la Suisse Romande, qui comprend le Pays de Vaud et le Gouvernement d'Aigle, dépendant du Canton de Berne, divisés en leur bailliages, où l'on a distingués ceux qui appartiennent au Canton de Fribourg et ceux qui sont possédés en commun par ces deux Républiques, ainsi que les Etats et Pays adjacents. Levée géométriquement sous la permission du Souverain par le S. H. Mallet, Ingénieur géographe", welcher er das wichtige „Avertissement" beidrucken liess:
„L'auteur prévient que la ville de Fribourg et les autres lieux de ce Canton, à l'orient du Pays de Vaud, sont placés sur des observations qui n'ont pas le même degré d'exactitude qu'il a mise à la description du dit pays objet principal de cette carte, pour laquelle il n'a pas épargné ni soins ni travaux. II espère de donner par la suitte cette partie traittée avec le même soin. — Quant au pays de Neufchâtel, la position des lieux situés le long du lac, et d'autres de l'intérieur du pays est déterminée par des observations précises; pour le surplus on s'est servi des cartes connues en les rectifiant, et particulièrement la limitation occidentale."

Das einzige Speciellere, das ich über die Aufnahme dieser Karte finden konnte, las ich in einem Briefe, welchen Jeanneret (3) 1779 V 26 aus Grandson an Jetzler (4) schrieb. Es heisst nämlich in demselben:
„Mr Mallet n'est pas à Geneve depuis un couple de mois (5). J'ai appris qu'il avait demandé a Leurs Exe. de Berne la permission de lever la carte du Canton et qu'il l'avait obtenu (6); il travaille donc à cela actuellement, il est tantot ici tantot là, je compte qu'il viendra bientôt dans nos quartiers, car Mr le Baillif d'Yverdon a déjà reçu les ordres de ne pas l'empêcher dans ses operations, au contraire de les faciliter dans ce qu'il pourra. Ainsi Vous serez dédomagés du silence occasionne par cette absence, car cette carte se gravera à Paris et Vous en aurez sans doute (7); d'ailleurs elle sera correcte au lieu de celles que nous avons, qui ont été en quelque façon levées au hazard (8). Car il n'y a eu personne dans le pays en état de la faire qui s'en soit donné la peine, en sorte que je ne sais pas sur quoi celles qui se vendent ont été dressées; aussi sont elles très-défectueuses.
Vous savez que Mr Mallet est muni de très bons instruments anglais (9) dont il sait bien se servir, car comme bon mathématicien il à toute la théorie nécessaire à cela avec l'habitude de faire des observations et de pratiquer sur le terrain, car il y a longtemps qu'il s'exerce avec deux de ses amis autour de Genève, en sorte qu'ils ne font pas ici un apprentissage (10)"
. —

Abgesehen von dieser Notiz habe ich mich einzig an die Karte selbst zu halten, welche aus 4 Blättern a 53 auf 68 cm. bestellt, und zur Zeit um so beifälliger aufgenommen wurde als sie nach Behandlung und Maassstab sich an die damals mit Recht bewunderte Cassini'sche Karte von Frankreich anschloss. Derjenige Theil derselben, welcher die Umgebung von Genf darstellt, ist offenbar eine Verjüngung der Specialkarte von 1776 und ihr überhaupt adäquat (11), und die übrigen Theile sind in ihrer Anlage, wenn auch nicht ganz ebenso gut, doch immerhin so genau, dass sie als Ergebniss einer sorgfältigen Messung betrachtet werden dürfen, besonders wenn, wie es das oben mitgetheilte „Avertissement" sogar fast vorschreibt, einige weniger harmonirende Maasse gegen Freiburg und im Neuenburgischen ausgeschlossen werden (12).

Im Detail mögen sich da und dort einige Fehler eingeschlichen haben, welche Sterchi (13) in der durch Vaucher (14) besorgten, und durch Spengler (15) im Jahre 1828 zu Lausanne publicirten Reduction der Mallet'schen Karte nach s. neuen Messungen zu verbessern hatte (16); aber in Anbetracht der geringen Hülfsmittel und Unterstützungen, über welche Mallet für s. Arbeiten verfügte, sind ihm solche einzelne Fehler nicht hoch anzurechnen, und es ist unbedingt s. Arbeit nach Genauigkeit und Ausführung als eine für s. Zeit ganz vortreffliche Leistung zu taxiren. —

Von viel minderem Belange ist dagegen die von Henri Mallet 1798 in zwei Blättern à 48½ auf 68½ cm. herausgegebene „Carte de la Suisse suivant sa nouvelle division en XVIII Cantons formant la République hélvetique", da sie eben nur aus einer Compilation des von ihm, wenn auch fleissig, gesammelten Materials entstanden ist (17). Es ist auch wirklich die Anlage dieser Karte im grossen Ganzen, und voraus in dem südöstlichen Viertheile, nicht wesentlich besser als in viel früheren Publicationen dieser Art (18), — während dagegen im Detail und in der Terrainzeichnung, voraus in der Westschweiz, nicht unerhebliche Fortschritte zu erkennen sind. (19)

Ganz unbedeutend ist ein flüchtig hingeworfenes Kärtchen „Le Département du Léman divisé en 23 Cantons de Justice de Paix formant ses trois Arondissemens communaux dont les Chef-Lieux sont Genève, Thonon, Bonneville. — Dressée par Mallet Ingr Géographe à Genève 1806. — Gravé par C. G. Geissler", welches auf einem Blättchen von 30 auf 25 cm. etwa im Maassstab von 1/345000 ziemlich schlecht gestochen ist, und hier nur als muthmasslich letzte kartographische Arbeit von Mallet angeführt werden mag. —

Henri Mallet scheint sich überhaupt in s. spätem Jahren mehr dem literarischen Gebiete, auf welchem sich schon ein jüngerer Bruder ausgezeichnet hatte (20), zugewandt zu haben, und es war ihm noch vergönnt theils 1802 einen geschätzten „Manuel métrologique ou Répertoire des mesures, des poids et des monnaies des différents peuples modernes", theils 1807 eine herauszugeben, ja er soll bis nahe an seinen 1812 erfolgten Tod geistig frisch geblieben sein.