Kapitel V. Spätere Detailarbeiten

 

56. Gabriel Walser.

Dem Pfarrer Gabriel Walser zu Wolfshalden im Jahre 1695 geboren, studirte Gabriel Walser ebenfalls Theologie, wurde 1724 Pfarrer in Spycher, 1733 in Urnäschen und sodann 1745 in Berneck, wo er bis zu seinem 1776 erfolgten Tode verblieb. Seine Musse benutzte Walser zu historischen und kartographischen Arbeiten, und gab schon 1740 zu St. Gallen eine „Neue Appenzeller-Chronik" heraus, welcher er unter dem Titel
„Das Land Appenzell des Innern und Aeussern Rooden, mit allem Fleiss gezeichnet von Gabriel Walser V. D. M." eine Karte beilegte, deren Anlage jedoch sehr mangelhaft war (1), und wenn auch der Verfertiger bei wiederholter Bereisung des Kantons einige Detailfehler der altern Karten bemerkt und verbessert haben mochte, so war doch s. ganze Zeichnung zu roh um irgend ernstere Ansprüche machen zu können.

Nichts desto weniger erwarb diese Karte Walser einen gewissen Ruf, so dass er wiederholt von auswärtigen kartographischen Instituten, wie namentlich denjenigen von Seutter in Augsburg und Homann in Nürnberg, für Bearbeitung von Specialkarten einzelner Schweizerkantone engagirt wurde.

Es würde sich jedoch kaum der Mühe lohnen alle Karten, welche nach und nach auf solche Weise entstanden, aufzuzählen und zu characterisiren, und es mag mehr als genügen noch von der grössten, alle frühern Leistungen Walser's gewissermassen resümirenden Arbeit zu sprechen, nämlich von dem zunächst unter s. Mitwirkung entstandenen

Von diesen 20 Karten hat Walser von 1763—68 volle 15 gezeichnet, nämlich die 13 Kantone, mit einziger Ausnahme von Schaffhausen, — die St. Gallischen Lande, Bündten und Wallis. Von den übrigen fünf Karten wurden zwei schon früher durch Tobias Mayer bearbeitet, nämlich eine nach den Kantonen illuminirte Generalkarte 1751, und eine Reduction der Peyer'schen Karte von Schaffausen (2) 1753, —

Eine, nämlich eine nach den Religionen illuminirte Generalkarte, durch Hübner sogar schon 1732, — und zwei, nämlich eine Karte vom Genfer-See und eine ebensolche vom Boden-See, 1766 durch Antonio Rizzi-Zannoni in Padua. — Von diesen letztern fünf Karten mag die Schweizerkarte von Tobias Mayer, theils um dieses vortrefflichen Mannes willen, theils weil sie im vorigen Jahrhundert häufig als die beste Schweizerkarte bezeichnet wurde, kurz besprochen werden: Unter dem Titel „Helvetia tredecim statibus liberis quos Cantones vocant composita. Una cum foederatis et subjectis provinciis ex probatissimis subsidiis geographice delineata per Dm Tobiam Mayerum Prof. Matth. Goetting. 1751" publicirt, ist sie wirklich nicht nur nach ihrer Anlage (3) etwas besser als die ihr ohne Zweifel zunächst zu Grunde liegende Scheuchzer'sche Karte, — besonders im südwestlichen Viertel, für welches offenbar die neuern Karten von Fatio, Roverea, etc. consultirt wurden, — sondern sie hat überdiess vor ihr ein ganz ordentliches Gradnetz voraus (4), — und zeigt auch in Beziehung auf Detail und Zeichnung wenigstens etwelche Fortschritte. —

In Betreff der von Walser gelieferten Karten, erfahren wir aus seiner 98 Folioseiten haltenden Schrift, welche 1770 zu Zürich unter dem Titel „Gabriel Walsers Schweizergeographie. Samt den Merkwürdigkeiten in den Alpen und hohen Bergen. Zur Erläuterung der Homannischen Karten herausgegeben" erschien und meistens dem Atlas beigebunden ist, wie er dafür vorging. „Man hat verschiedene Landcharten von der Schweitz", sagt er; „allein alle haben ihre Mängel und Fehler, denn es ist etwas schweres eine accurate Landcharte von einem Land auszufertigen, das so viele hohe Berge und Thäler hat. Die grosse Scheuchzerische Charte mag wohl unter allen den Vorzug haben, jedoch sind unzählige Fehler noch darinn. Ich habe die meisten Oerter des Schweizerlandes (5), und sonderheitlich das Bündtner-Land creutzweise durchreiset; ich habe die höchsten Berge und Alpen manchmal mit Leib- und Lebens-Gefahr bestiegen, um die Lage der Oerter, und die Seen und den Lauf der Flüsse recht auszuspüren. Daher entschloss ich mich von allen XIII Cantons Special-Charten auszufertigen: Ich sandte den Plan ad corrigendum in die Cantzleyen (6), und trachtete die Lage der Hauptörter und Pfarrkirchen allemal richtig zu setzen."

Nachdem Walser noch ganz bescheidentlich beigefügt, dass, wenn s. Karten nach und nach verbessert werden, schliesslich „leicht eine allgemein richtige Schweitzer-Charte zum Vorschein kommen" könne, berichtet er, dass er für Zürich den Stich der Geigerischen Karte (7) benutzt habe, — für Bern die Zollingerische Karte (8) „welche der gelehrte und berühmte Herr Gruner (9) an vielen Orten corrigirt" und ihm übersandt habe.

In Beziehung auf die Karte vom Kanton Luzern bemerkt Walser: „Es sind von diesem Canton verschiedene Risse und Landcharten vorhanden; keiner ist ohne Fehler. Die meinige, die in der Homannischen Officin gestochen worden, hat eine unverdiente Censur ausstehen müssen (10); da ich aber einen Hochl. Magistrat habe ehrerbietigst berichten können, dass ich die Charte ordentlich ad corrigendum auf Luzern gesandt, hat Hochderselbe meine diesfällige Unschuld nicht nur gnädigst eingesehen, sondern mir noch ein kostbares Geschenk übersandt" (11).

Und in Beziehung auf diejenige von Unterwalden: „In diesem Canton bin ich auch gewesen, und habe eine Landcharte davon gezeichnet, welche hernach in der Homannischen Officin ist gestochen worden. Viele Fehler, die in der Scheuchzerischen Charte vorkommen, sind darin ausgebessert, und die Pfarrkirchen und nahmhaften Oerter, samt den Flüssen in ihre rechte Lage gesetzt worden. Weil aber das Land voll Berge, und ich wegen eingefallenem Schnee nicht aller Orten hinkommen können, so ist auch diese noch unvollkommen" (12).

Basel legte er die Karte von Bruckner (13) zu Grunde, — für Freiburg und Solothurn führt er dagegen keine besondern Quellen an, doch hielt er sich wahrscheinlich für erstem Canton an Von der Weid, für letztern an Scheuchzer (14).

Von s. neuen Karte von Appenzell sagt er: „Diese soll accurat seyn. Aber wo ist jemal eine Landcharte herausgekommen, die gar ohne einige Fehler ist" (15), und fügt dann bei: „Die Latitudo ist 47° 22' und die Longitudo 29° 15', nach der Bestimmung des hochgelehrten und weitberühmten Herrn Magister Gauppen in Lindau, der mein Lehrmeister in der Mathematik gewesen ist" (16).

Eine Verjüngung derselben ging dann in die Karte von St. Gallen über, deren übrige Theile jedoch viel zu wünschen übrig lassen, wie Walser selbst fühlt, wenn er sagt: „Im Calfeiser- und Weisstanner-Thal bin ich nie gewesen", oder: „Die Breite von Gaster kann man wegen der hohen Bergen nicht wohl bestimmen," etc. (17).

Die Karte von Bündten ist bei Walser in der Anlage ebenso schlecht ausgefallen wie bei Scheuchzer, — namentlich in der gegenseitigen Lage von Bündten und Tessin, die noch bei Meyer ganz unrichtig ist; solche Verhältnisse konnten eben durch Bereisen nicht ermittelt werden, sondern nur durch eine Triangulation (18).

Die Karte vom Wallis endlich, für welche Walser dem Bischof Franciscus Josephus seinen „gnädigen Vorschub" verdankt, ist wieder etwas besser ausgefallen, und scheint grösstentheils auf Scheuchzer zu basiren (19). Im Ganzen ist offenbar bei Walser gegenüber Scheuchzer in Richtigkeit der Anlage (20), und so auch im Detail und in der Darstellung ein kleiner Fortschritt zu erkennen, — und wenn derselbe auch nicht so gross ist, dass die Walser'sche Arbeit für ihre Zeit ebenso gut war als diejenige Scheuchzer's für s. Zeit, so wäre es doch unrecht Walser nicht ein kleines Verdienst um die Hebung unserer Karten zu gut schreiben zu wollen.